BattleTech 50: MechWarrior Trilogie
erringen.
Und nur der Elite unter denen gelingt es, im Tatzenschlag einen Geisterbären zu erlegen, dachte Angela.
Sie hatte sich ihren Blutnamen im Cockpit eines alten Warhawk- OmniMechs erkämpft. BattleMechs und OmniMechs stellten den Gipfel der militärtechnologischen Entwicklung dar und beherrschten das Schlachtfeld jetzt schon seit dreihundert Jahren. Die fast drei Stockwerke hohen und mehr oder weniger humanoiden, schwer gepanzerten Mechs konnten sich mit schier unglaublicher Geschwindigkeit bewegen. Darüber hinaus verfügten sie über die Feuerkraft eines Panzerzugs: ein beeindruckenes Arsenal aus Raketenlafetten, Laserkanonen und anderen Werkzeugen des Todes und der Zerstörung.
Eine neue Windbö fuhr in die letzten Funken ihres kleinen Lagerfeuers, das zu qualmen begann und erlosch. Sie hatten nicht mehr viel, womit sie die Flammen hätten füttern können. Und inzwischen wurde es hell. Es blieb ihnen nicht viel Zeit, wenn sie je erreichen wollten, wozu sie aufgebrochen waren. Es lag keine Schande darin, während des Tatzenschlags keinen Geisterbären zu erlegen, aber Angela Bekker gehörte nicht zu den Menschen, die bereit waren, einen Traum aufzugeben. Es schien unmöglich, eines der gewaltigen Raubtiere anzulocken. Der Geisterbär war berüchtigt für seine Taktik, sich in riesigen Schneewehen zu verstecken und geduldig zu warten, bis ihm eine Beute geradewegs vors Maul lief. Es mußte eine andere Möglichkeit geben, diese Prüfung zum Abschluß zu bringen. Wenn nicht, würden Sprange und sie hier in der Kälte den Tod finden.
In Gedanken spulte sie alles ab, was sie über die legendären Geisterbären wußte, während ihr Körper gegen einen Kälteschauder ankämpfte. Sie waren Jäger, mächtige, weißbepelzte Raubtiere, die auf die Hinterbeine aufgerichtet über fünf Meter hoch aufragten. Die Kälte schien sie nicht zu stören. Sie beherrschten dieses gnadenlose Gebirgsmassiv, in dem sie nicht nur überleben konnten, sondern geradezu gediehen. Es hieß, daß sie Blut über Kilometer riechen konnten und ihre Beute allein mit der Nase suchten.
Dann kam ihr die Idee. Es war ein düsterer Gedanke, der ein großer Opfer von ihr verlangte. Aber ihre Ehre stand auf dem Spiel, und für Angela Bekker spielte wenig anderes eine Rolle. Soweit sie an ihre Zeit in der Jagender-Bär-Geschko zurückdenken konnte, hatte dieses Konzept ihr Denken bestimmt. Von einer Kriegerin wurde erwartet, daß sie für Ruhm oder Sieg zu Opfern bereit war, und sie war entschlossen, sich die Ehre zu erwerben, die mit dem Erlegen eines Geisterbären verbunden war. Wortlos und mit äußerster Sorgfalt stieß sie den Schaft ihres Speers in den festen Lehm des Höhlenbodens, dann stemmte sie ihn sicher gegen einen groß aufragenden Felsen. Die geschärfte Spitze deutete zum Höhleneingang.
»Was machst du, Angela Bekker?« fragte Sprange schwach.
Sie drehte sich nicht zu ihm um. Sie war zu sehr damit beschäftigt, sicherzustellen, daß der Speer dem Gewicht des Bären standhalten würde. »Ich werde einen Geisterbären erlegen«, stellte sie schließlich fest.
»Kommt denn einer?« In Spranges Stimme lag keine Furcht. Er klang beinahe erleichtert. Eine zweite Begegnung mit einem Bären würde er nicht überleben, und er hatte sich mit dem Tod abgefunden. Der Tod gehörte zum Leben als Krieger, und den Gefahren des Tatzenschlagrituals zu erliegen, brachte ihm keine Schande.
Sie sah sich zu ihm um. »Noch nicht.« Dann zog sie ihr Fahrtenmesser aus der Scheide. Die Klinge glänzte im ersterbenden Licht des Feuers, und Angela betrachtete sie einen Moment. Dann trat sie an den Eingang der Höhle. Unter ihren Stiefeln knirschte der Schnee.
Mit einem schnellen Schlag trennte sie sich Ringfinger und kleinen Finger der linken Hand ab.
Angela schrie, aber es lag mehr vom wilden Aufheulen eines Tieres in diesem Schrei als vom Schmerzensschrei eines verwundeten Menschen. Blut spritzte durch die Gebirgsluft und über die Höhlenwand. Sie fühlte eine Hitzewelle durch ihren Körper branden, dann zwangen die Schmerzen sie in die Knie. Das Messer rutschte ihr aus der Hand und verschwand fast augenblicklich unter dem Schnee, der sich vor der Höhle auftürmte. Angela Bekker zog ihre leichte Laserpistole und feuerte auf die verletzte Hand, um die Wunde zu kauterisieren. Ein dünner Rauchfaden trug den Geruch von verbranntem Fleisch an ihre Nase. Wieder heulte sie auf, nicht so laut wie zuvor, aber diesmal war es purer Schmerz.
Mit der
Weitere Kostenlose Bücher