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Baudolino - Eco, U: Baudolino

Titel: Baudolino - Eco, U: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Stämmen führt!«
    »Den Sambatyon haben auch wir schon im Brief des Priesters erwähnt«, erinnerte Baudolino, »und es ist klar, dass er da irgendwo sein muss. Also gut, der Herr ist uns zu Hilfe gekommen, er hat uns Zosimos verlieren lassen, aber er hat uns Ardzrouni finden lassen, der anscheinend mehr darüber weiß.«
     
    Eines Tages erblickten sie von weitem einen prächtigen Tempel mit Säulenportal und bebildertem Giebelfeld. Doch als sie näher kamen, sahen sie, dass der Tempel nureine Fassade war, denn der Rest war Felsen, und tatsächlich befand sich jenes Säulenportal hoch oben in den Berg eingefügt, und man musste hinaufsteigen, Gott weiß wie, bis zu der Höhe, wo die Vögel fliegen, um es zu erreichen. Bei genauerem Hinsehen entdeckten sie dann an den Bergen ringsum noch andere Fassaden, hoch oben an steilen Wänden aus Lavagestein, und bisweilen mussten sie sehr genau hinsehen, um den bearbeiteten Stein von dem durch die Natur geformten zu unterscheiden, und dann entdeckten sie noch mehr gemeißelte Kapitelle, Gewölbe, Bögen und Kolonnaden von edelster Gestalt. Die Bewohner des Tals sprachen eine dem Griechischen ähnliche Sprache und sagten, ihre Stadt heiße Bakanor, aber was man dort oben sähe, seien Kirchen aus der Zeit vor tausend Jahren, als in jener Gegend Aleksandros herrschte, ein großer König der Griechen, der einen am Kreuz gestorbenen Propheten verehrte. Inzwischen hätten sie vergessen, wie man zu dem Tempel hinaufsteige, sie wüssten auch nicht, was darin sei, sie zögen es vor, die Götter (sie sagten tatsächlich »die Götter«, nicht den Herrgott) in einem offenen Hof zu verehren, in dessen Mitte der vergoldete Kopf eines Büffels thronte, erhaben auf einem hölzernen Pfahl.
    Gerade an jenem Tag beging die ganze Stadt das feierliche Begräbnis eines jungen Mannes, den alle sehr gemocht hatten. In der Ebene am Fuß des Berges hatte man ein Bankett hergerichtet, und in der Mitte eines Kreises von Tischen, die schon gedeckt waren, stand ein Altar, auf dem der Leichnam des Verstorbenen lag. Hoch oben flogen in großen Kreisen und immer niedriger kommend Adler, Geier, Raben und andere Raubvögel, als wären sie zu dem Fest geladen. Ganz in Weiß gekleidet trat der Vater des Toten an den Altar, trennte ihm mit einer Axt den Kopf ab und legte ihn auf einen goldenen Teller. Danach zerteilten ebenfalls weißgekleidete Gehilfen den Leichnam in kleine Stücke, und jeder der Eingeladenen wurde aufgefordert, ein Stück zu nehmen und es zu einem Vogel hinaufzuwerfen, der es im Fluge auffing und mit ihm davonflog. Jemand erklärte Baudolino, die Vögel trügen den Toten ins Paradies, und dieser Brauch sei viel schöner als der andererVölker, die ihre Toten in der Erde verfaulen ließen. Alsdann kauerten sich alle vor die Tische, und jeder kostete etwas vom Fleisch des Kopfes, bis dieser nur noch ein nackter Schädel war, sauber und blank wie aus Metall, und sie daraus eine Schale machten, aus der alle freudig und den Verstorbenen preisend tranken.
     
    Ein andermal zogen sie eine ganze Woche lang durch ein Sandmeer, in dem sich Dünen wie große Wellen erhoben und der Boden unter den Füßen und den Hufen der Pferde zu wanken schien. Solomon, der schon bei der Überfahrt von Kalliupolis seekrank geworden war, litt während dieser Tage unter ständigem Brechreiz, konnte jedoch nur sehr wenig von sich geben, da die Reisenden nur sehr wenig Gelegenheit hatten, etwas zu sich zu nehmen, und es war ein Glück, dass sie sich mit genügend Wasser versorgt hatten, ehe sie diesen Teil des Weges in Angriff nahmen. Hier war es, dass Abdul zum ersten Mal Fieberanfälle bekam, die ihn von da an während der ganzen weiteren Reise immer heftiger schüttelten, so dass er schließlich nicht einmal mehr in der Lage war, abends seine Lieder zu singen, wozu die Freunde ihn aufforderten, wenn sie im Mondlicht rasteten.
     
    Manchmal kamen sie auch zügig voran, wenn sie durch weite Grassteppen zogen, und wenn sie nicht mit widrigen Elementen zu kämpfen hatten, führten Boron und Ardzrouni endlose Streitgespräche über das Thema, das sie nicht losließ, nämlich die Frage der Leere.
    Boron führte seine üblichen Argumente ins Feld – dass, wenn es die Leere gäbe, uns nichts daran hindern würde, nach unserer Welt noch viele andere Welten in dieser Leere anzunehmen, und so weiter und so fort. Doch Ardzrouni hielt ihm entgegen, er verwechsle die allgemeine Leere, über die sich diskutieren ließe, mit der

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