Baudolino - Eco, U: Baudolino
vorher gesagt hätten, aber nein, eine hatte vorgetäuscht, sich dem Poeten hinzugeben, der sich um ein Haar der ewigen Keuschheit hätte verschreiben müssen und gerade noch zurückspringen konnte, als er zu seinem Glück das Zischen hörte ... Bei den Sümpfen von Kataderse waren sie auf Männer gestoßen, deren Hodensäcke bis zu den Knöcheln herunterhingen, und in Nekuweran auf Menschen, die nackt wie die wilden Tiere waren und sich in den Straßen paarten wie Hunde, der Vater besprang die Tochter, der Sohn die Mutter. In Tana waren sie Menschenfressern begegnet, die zum Glück keine Ausländer fraßen, weil sie sich vor ihnen ekelten, sondern bloß ihre eigenen Kinder. An dem Fluss Arlon waren sie in ein Dorf geraten, wo die Einwohner um ein Götzenbild tanzten und sich mit scharfen Messern Wunden in alle Glieder schnitten, dann wurde das Götzenbild auf einen Karren geladen und durch die Straßen gefahren, und viele warfen sich fröhlich unter die Räder und ließen sich die Glieder zermalmen, bis sie daran starben. In Salibut hatten sie einen Wald durchquert, in dem es von froschgroßen Flöhen wimmelte, in Karjamarja waren sie pelzigen Männern begegnet, die wie Hunde bellten, und nicht einmal Baudolino konnte ihre Sprache verstehen, und Frauen mit Wildschweinzähnen, Haaren bis zu den Füßen und Kuhschwänzen.
Diese und andere schaurigen Dinge hatten sie gesehen, aber nichts von den Wundern des Orients, kein einziges, als wären alle, die darüber geschrieben haben, große Lügner gewesen.
Ardzrouni riet zur Geduld, er habe ihnen doch gesagt, dass vor dem Irdischen Paradies eine ziemlich wilde Gegend komme, aber der Poet entgegnete, wilde Gegenden würden von wilden Tieren bewohnt, denen sie zum Glück noch nicht begegnet seien, was aber dann wohl auch noch kommen werde, und wenn das, was sie bisher gesehen hatten, noch nicht die richtige Wildnis war, na dann vielVergnügen für den Rest! Abdul, der immer mehr fieberte, meinte, es sei unmöglich, dass seine Prinzessin an so gottverfluchten Orten lebe, vielleicht hätten sie den falschen Weg genommen. »Aber ich habe bestimmt nicht die Kraft zur Umkehr, Freunde«, sagte er schwach, »und darum glaube ich, dass ich auf meinem Weg ins Glück sterben werde.«
»Sei still, du weißt ja nicht mehr, was du redest«, fuhr ihn der Poet an. »Nächtelang hast du uns mit anhören lassen, wie du die Schönheit deiner unmöglichen Liebe besingst, und jetzt, wo du siehst, dass sie unmöglicher gar nicht sein könnte, müsstest du doch zufrieden und geradezu überglücklich sein!« Baudolino zog ihn beiseite und flüsterte ihm zu, Abdul phantasiere inzwischen und es sei nicht nötig, ihn noch mehr leiden lassen.
Nach einer Zeit, die gar nicht mehr aufhören wollte, gelangten sie nach Salopatana, eine ziemlich elende Stadt, deren Bewohner sie staunend empfingen, wobei sie die Finger bewegten, als ob sie sie zählten. Es war klar, die Leute wunderten sich, dass sie zwölf waren, und alle knieten nieder, während einer loslief, um die anderen zu benachrichtigen. Nach einer Weile kam ihnen eine Art Archimandrit entgegen, der auf Griechisch psalmodierte und ein hölzernes Kreuz vor sich hertrug (von wegen silberne Kreuze, besetzt mit Rubinen, murmelte der Poet), und er sagte zu Baudolino, seit langem erwarte man an diesem Ort die Rückkehr der Heiligen Magierkönige, die tausend und abertausend Jahre lang tausend Abenteuer durchgemacht hätten, nachdem sie das Kind in Bethlehem angebetet hatten. Sodann fragte dieser Archimandrit sie tatsächlich, ob sie ins Land des Priesters Johannes zurückkehrten, aus dem sie zweifellos stammten, um ihn von seiner langen Mühsal zu erlösen und die Macht wieder an sich zu nehmen, die sie einst über diese gesegneten Länder ausgeübt hatten.
Baudolino frohlockte. Er stellte allerlei Fragen über das, was sie dort erwartete, aber dann begriff er, dass auch diese Leute nicht wussten, wo das Reich des Priesters lag,sondern nur felsenfest glaubten, dass es irgendwo im Osten sein musste. Ja, sie wunderten sich, dass er solche Fragen stellte, gerade die Magier müssten doch sichere Kenntnisse über das Reich des Priesters haben, wo sie doch von dort stammten!
»Ihr allerheiligsten Herren«, sagte der gute Archimandrit, »ihr seid gewiss nicht wie jener byzantinische Mönch, der vor einiger Zeit hier durchgekommen ist und nach jenem Reich gefragt hat, um dem Priester ich weiß nicht was für eine Reliquie zurückzubringen, die ihm
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