Baudolino - Eco, U: Baudolino
immer genau die Vertrotteltsten?
Ein Stück weiter trafen sie auf Leute, die in kreisrunden Zelten wohnten und sie mit den Worten begrüßten: » La ellec olla Sila, Machimet rores alla. « Sie antworteten ebenso höflich auf Alemannisch, denn eine Sprache war so gut wie die andere, und dann zeigten sie den Zosimos-Popanz vor. Die Leute begannen zu lachen und redeten alle durcheinander, aber aus ihren Gebärden war zu entnehmen, dass sie sich an Zosimos erinnerten: Er war vorbeigekommen, hatte ihnen den Kopf eines christlichen Heiligenangeboten, und sie hatten gedroht, ihm etwas hinten reinzustecken. Da begriffen unsere Freunde, dass sie in eine Bande von pfählenden Türken geraten waren, und entfernten sich rasch mit großen Abschiedsgesten und breitem, alle Zähne entblößendem Lächeln, während der Poet Ardzrounis Kopf an den Haaren zu sich herüberzog und ihm zuknurrte: Bravo, bravo, du weißt den Weg, ja? Führst uns direkt ins Maul des Antichrist – und Ardzrouni röchelte, nicht er habe sich im Weg geirrt, sondern diese Leute, die eben Nomaden seien, und bei Nomaden wisse man nie, wohin die gingen.
»Aber weiter vorn«, versicherte er, »da werden wir nur auf Christen stoßen, wenn auch auf nestorianische.«
»Gut«, sagte Baudolino, »wenn sie Nestorianer sind, gehören sie schon zur Rasse des Priesters, aber von jetzt an passen wir auf, wenn wir in ein Dorf kommen, und schauen, bevor wir zu reden anfangen, ob es da Kreuze und Kirchtürme gibt.«
Von wegen Kirchtürme. Die nächsten menschlichen Siedlungen, auf die sie stießen, waren Ansammlungen von niedrigen Hütten aus Lehm, und selbst wenn es unter ihnen eine Kirche gab, war sie nicht als solche zu erkennen, die Leute dort begnügten sich mit wenigem, um den Herrn zu loben.
»Bist du sicher, dass Zosimos hier durchgekommen ist?« fragte Baudolino, und Ardzrouni sagte, er solle nur ganz ruhig sein. Eines Abends sah Baudolino ihn die untergehende Sonne beobachten, wobei er Maße am Himmel zu nehmen schien, die Arme vorgestreckt und die Finger beider Hände so überkreuz, dass sie dreieckige Fenster bildeten, durch die er in die Wolken spähte. Baudolino fragte ihn, was er da mache, und Ardzrouni sagte, er versuche herauszufinden, wo der große Berg sei, hinter dem die Sonne jeden Abend versinke, unter der großen Wölbung des Tabernakels.
»Heilige Madonna!« rief Baudolino. »Glaubst etwa auch du an diese Geschichte vom Tabernakel, so wie Zosimos und dieser Kosmas Indikopleustes?«
»Aber klar doch«, sagte Ardzrouni, als hätte man ihn gefragt, ob er glaube, dass Wasser nas macht. »Wie könnte ich sonst so sicher sein, dass wir denselben Weg gehen, den Zosimos genommen haben muss?«
»Dann kennst du also die Karte, die uns Zosimos immer versprochen hat?«
»Ich weiß nicht, was Zosimos euch versprochen hat, aber ich habe Kosmas' Karte.« Er zog ein Pergament aus seinem Reisesack und zeigte es den Freunden.
»Hier, seht ihr? Dies ist der Rahmen des Okeanos. Jenseits davon sind die Länder, in denen Noah vor der Sintflut lebte. Ganz im Osten dieser Länder, getrennt vom Okeanos durch Regionen, die von allerlei Monsterwesen bewohnt sind – da werden auch wir durchmüssen –, liegt das Irdische Paradies. Aus ihm kommen, wie hier gut zu sehen ist, die Flüsse Euphrat, Tigris und Ganges, sie durchqueren den Okeanos, um durch die Länder zu fließen, zu denen wir unterwegs sind, und ergießen sich dann in den Persischen Golf, während der Nil hier unten einen weiten Umweg durch die vorsintflutlichen Länder macht, dann den Okeanos durchquert, dann durch die Unteren Südregionen fließt, genauer gesagt durch Ägypten, und sich in den Romäischen Golf ergießt, also in das, was die Lateiner zuerst Mittelmeer und dann Hellespont nennen. So, wir müssen also hier weiter in östlicher Richtung gehen, dann treffen wir zuerst auf den Euphrat, dann auf den Tigris und dann auf den Ganges, und dann biegen wir in die Unteren Ostregionen ab.«
»Aber«, unterbrach der Poet, »wenn das Reich des Priesters Johannes nahe beim Irdischen Paradies liegt, müssen wir dann, um hinzukommen, den Okeanos überqueren?«
»Es liegt nahe beim Irdischen Paradies, aber diesseits des Okeanos«, sagte Ardzrouni. »Allerdings müssen wir den Sambatyon überqueren ...«
»Den Sambatyon, den steinernen Fluss!« rief Solomon und legte fromm die Hände zusammen. »Dann hatte Eldad also nicht gelogen, und dies ist die Straße, die uns zu den verstreuten
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