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Baudolino - Eco, U: Baudolino

Titel: Baudolino - Eco, U: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Unschuldsmiene beschrieb Gavagai den Weg dorthin so genau, dass man annehmen musste, er oder irgendein anderer Skiapode waren bei ihren weitläufigen Exkursionen auch bis zu jenem See gelangt.
    Mehr brauchte es nicht, um Baudolinos Neugier zu wecken. Er wartete auf einen Augenblick, in dem ihn niemand beachtete, sprang auf sein Pferd, durchquerte in weniger als zwei Stunden eine weite Steppe und kam an den Rand eines dichten Waldes. Er band das Pferd an einen Baum und drang in das frische duftende Grün ein. Über Wurzeln stolpernd, die bei jedem Schritt auftauchten, und riesigePilze in allen Farben streifend, gelangte er schließlich ans Ufer eines Sees, auf dessen gegenüberliegender Seite steil die Hügel aufragten, in denen die Satyrn lebten. Es war um die Zeit des Sonnenuntergangs, das kristallklare Wasser begann sich langsam zu verdunkeln und spiegelte die langen Schatten der vielen Zypressen, die es umstanden. Überall herrschte tiefe Stille, nicht einmal unterbrochen von Vogelgesang.
     
    Während Baudolino sinnend am Ufer dieses spiegelglatten Wassers stand, sah er auf einmal ein Tier aus dem Wald treten, das er noch niemals im Leben gesehen hatte, aber auf Anhieb erkannte. Es sah aus wie ein Fohlen, war ganz weiß und bewegte sich zierlich und fließend. Auf dem wohlgeformten Kopf, direkt über der Stirn, hatte es ein ebenfalls weißes Horn, das spiralförmig gewunden war und in einer scharfen Spitze endete. Es war das Einhorn, das lioncorno , wie Baudolino als Kind gesagt hatte, das Monoceros seiner kindlichen Phantasien. Er bewunderte es mit angehaltenem Atem, als er hinter ihm eine weibliche Gestalt aus den Bäumen treten sah.
    Gertenschlank, in ein langes Kleid gehüllt, das kleine vorspringende Brüste anmutig hervortreten ließ, bewegte sich die Kreatur im trägen Gang eines Kameloparden, und ihr Kleid streifte das Gras, das die Ufer des Sees verschönte, als schwebte sie über dem Boden. Sie hatte langes blondes Haar, das ihr bis zu den Hüften reichte, und ein Profil von solcher Reinheit, als wäre es für eine Elfenbeinfigur modelliert. Der Teint war leicht rosig, und dieses engelhafte Antlitz war in der Haltung eines stillen Gebetes zum See gerichtet. Das neben ihr stehende Einhorn trat sanft von einem Bein auf das andere, ab und zu mit leisem Schnauben den Kopf hebend, um eine Liebkosung entgegenzunehmen.
    Baudolino schaute hingerissen.
     
    »Sicher denkst du jetzt, Kyrios Niketas, dass ich seit Beginn unserer Reise keine Frau mehr gesehen hatte, die diesen Namen verdiente. Versteh mich nicht falsch, eswar nicht Begierde, was mich erfasst hatte, eher ein Gefühl von heiterer Verehrung, nicht nur für sie, sondern auch für das Tier, den stillen See, die Berge, das Licht jenes zur Neige gehenden Tages. Ich kam mir vor wie in einem Tempel.«
    Baudolino versuchte, seine Vision mit Worten zu beschreiben, was man sicher nicht kann.
    »Weißt du, es gibt Momente, in denen die Vollkommenheit selbst in einer Hand oder einem Antlitz erscheint, in einer Wolke am Hang eines Hügels oder über dem Meer, Momente, in denen einem das Herz stehen bleibt angesichts des Wunders der Schönheit ... In jenem Moment erschien mir die herrliche Kreatur wie ein erhabener Wasservogel, bald wie ein Reiher, bald wie ein Schwan. Ich sagte, dass ihr Haar blond war, aber nein, als sie den Kopf leicht bewegte, nahm es bald bläuliche Reflexe an, bald schien es von einem leichten Feuer durchzogen. Ich sah ihre Brust im Profil, weich und zart wie die Brust einer Taube. Ich war reiner Blick geworden. Ich sah etwas Antikes, ich wusste, dass ich nicht etwas Schönes sah, sondern die Schönheit selbst als heiligen Gedanken Gottes. Ich entdeckte, dass die Vollkommenheit, wenn man sie einmal erblickt und nur dieses eine Mal, etwas Leichtes, ja Schwereloses ist. Ich betrachtete die Gestalt aus der Ferne, aber ich spürte, dass ich jenes Bild nicht zu fassen vermochte, wie es vorkommt, wenn man in fortgeschrittenem Alter ist und einem scheint, dass man klare Zeichen auf einem Pergament entdeckt, aber man weiß, dass sie, sobald man näher hinschaut, sich verwischen und man nie das Geheimnis wird lesen können, das dieses Pergament einem versprach – oder wie in den Träumen, wenn einem etwas erscheint, was man gerne hätte, und man die Hand danach ausstreckt, aber die Finger im Leeren bewegt und nichts zu fassen bekommt.«
    »Ich beneide dich um jenen Zauber.«
    »Um ihn nicht zu brechen, hatte ich mich in eine Statue

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