Baudolino - Eco, U: Baudolino
bereits hören. An diesem Punkt beschloss der Poet, auf Praxeas' Angebot einzugehen, auch wenn er es als das Gefasel eines Betrunkenen ausgegeben hatte. Er hielt ihm vor Augen, dass die Weißen Hunnen jeden Augenblick über sie hereinbrechen könnten, und bitte, was würde man ihnen entgegensetzen? Die Nubier, sicher, stets opferbereite Kämpfer, aber dann? Abgesehen von den Pygmäen, die in ihrem Dauerkampf gegen die Kraniche mit dem Bogen umzugehen gelernt hatten – sollten die Skiapoden etwa mit bloßen Händen kämpfen, die Ponkier mit eingelegtem Glied zum Sturm ansetzen, die Zungenlosen als Kundschafter vorgeschickt werden, damit sie dann berichteten, was sie gesehen hatten? Dabei könne man doch sehr wohl aus dieser Versammlung von Monstern, wenn man ihre Fähigkeiten nur richtig zu nutzen verstehe, ein furchterregendes Heer machen. Und wenn einer sich darauf verstehe, dann er, der Poet.«
»Man kann Anspruch auf die Kaiserkrone erheben, wenn man ein siegreicher Feldherr gewesen ist. Bei uns in Byzanz ist das jedenfalls mehr als einmal passiert.«
»Und sicher war das auch der Hintergedanke meines Freundes. Die Eunuchen haben sofort zugestimmt. Ich vermute, sie dachten sich, solange Frieden war, stellte der Poet mit seiner Armee keine Gefahr für sie dar, und sollte es Krieg geben, konnte er das Eindringen der Feindezumindest so lange hinauszögern, dass ihnen Zeit blieb, sich durch die Berge in Sicherheit zu bringen. Außerdem hielt die Aufstellung einer Armee ihre Untertanen im Zustand gehorsamer Wachsamkeit, und genau das hatten die Eunuchen ja immer gewollt.«
Baudolino, der Krieg nicht mochte, bat um Befreiung vom Wehrdienst. Die anderen nicht. Der Poet war der Meinung, dass die fünf Alexandriner gute Hauptleute abgeben würden, da er die Belagerung ihrer Stadt miterlebt hatte, und zwar auf der anderen Seite, bei den Verlierern. Ähnlich große Stücke hielt er auf Ardzrouni, der den Monstern vielleicht beibringen könnte, die eine oder andere Kriegsmaschine zu bauen. Auch Solomon verschmähte er nicht: Ein Heer müsse immer einen erfahrenen Mediziner dabeihaben, sagte er, denn schließlich könne man kein Omelett zubereiten, ohne Eier zu zerschlagen. Am Ende beschloss er, dass auch Boron und Kyot, die er als Träumer ansah, in seinem Plan eine Funktion haben könnten: In ihrer Eigenschaft als Schriftkundige und Literaten könnten sie die Bücher der Armee führen, sich um den Nachschub kümmern und für die Labung der Krieger sorgen.
Er hatte die Eigenarten und Fähigkeiten der verschiedenen Rassen genau bedacht. Über die Nubier und die Pygmäen gab es nichts weiter zu sagen, es ging nur darum, in welcher Position sie bei einer eventuellen Schlacht am besten eingesetzt werden sollten. Die Skiapoden könnten, schnell, wie sie waren, als Sturmtruppen dienen, waren sie doch befähigt, sich dem Feind möglichst rasch zwischen Farnen und Gräsern zu nähern und plötzlich aufzutauchen, ehe die Gelbgesichter mit den langen Schnauzbärten Zeit hatten, sich darauf einzustellen. Es genüge, sie im Gebrauch des Blasrohrs zu unterweisen, meinte Ardzrouni, das leicht herzustellen sei, da es in jener Gegend Röhricht im Überfluss gab. Vielleicht könnte Solomon unter all den Kräutern auf dem Markt ein Gift finden, mit dem sich die Pfeile tränken ließen, und er solle sich bitte nicht zieren, Krieg sei nun mal Krieg. Solomon erwiderte, während der Schlacht um Masada habe sein Volk den Römern harteNüsse zu knacken gegeben, denn die Juden seien kein Volk, das sich wortlos ins Gesicht schlagen ließe, wie die Gojim meinten.
Die Giganten waren gut einsetzbar, nicht auf weite Distanz, wegen ihres nur einen Auges, aber im Nahkampf, womöglich indem sie gleich hinter den Skiapoden aus dem Farnkraut auftauchten. Riesig, wie sie waren, könnten sie die kleinen Pferde der Weißen Hunnen mit einem Schlag auf die Nase zum Stehen bringen, sie mit bloßen Händen an der Mähne packen und so lange schütteln, bis der Reiter aus dem Sattel fiel, um diesen dann mit einem Fußtritt zu erledigen, betrug doch die Größe eines Gigantenfußes gut das Doppelte eines Skiapodenfußes.
Weniger leicht verwendbar waren die Blemmyer, die Ponkier und die Panothier. Ardzrouni regte an, letztere mit ihren großen Ohren durch die Luft segeln und im Gleitflug von oben herunterkommen zu lassen. Wenn die Vögel sich durch Flügelschlag in der Luft halten könnten, pflichtete ihm Boron bei, warum sollten es dann nicht auch die
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