Baudolino - Eco, U: Baudolino
Getreide zu fressen?«
Gagliaudo: »Per mancansa d'fen e per mancansa d'paja, a mantunuma er bestii con dra granaja ... E d'iarbion.«
Baudolino: »Er sagt, nein, nur jetzt, wo sie kein Heu haben wegen der Belagerung. Und es sei auch nicht alles Getreide, es seien auch trockene Arbioni dabei.«
»Arbioni?«
»Erbsen.«
»Teufel nochmal, ich werfe ihn meinen Falken vor, meinen Hunden! Was soll das heißen, dass sie kein Heu haben, aber Getreide und Erbsen?«
»Er sagt, sie hätten in der Stadt alle Kühe der Gegend versammelt, und so könnten sie jetzt Schnitzel essen bis zum Weltuntergang, aber die Kühe hätten das ganze Heu gefressen, und wenn die Leute Fleisch kriegen könnten, würden sie kein Brot mehr essen und Erbsen schon gar nicht, und darum verfütterten sie einen Teil des Getreides, das sie noch hätten, an die Kühe. Er sagt, bei ihnen sei es nicht so wie hier bei uns, wo wir alles hätten, sie müssten sich ihre Vorräte gut einteilen, weil sie arme Belagerte seien. Und er sagt, eben deswegen hätten sie ihm die Kuh zum Auf-die-Weide-Rausbringen gegeben, damit sie ein bisschen frisches Gras in den Magen kriegt, weil immer nur dieses Körnerzeug, davon werde sie krank und kriege die Drehsucht.«
»Baudolino, glaubst du, was dieser Gauner da sagt?«
»Ich übersetze getreu, was er sagt. Nach dem, was ich aus meiner Kindheit in Erinnerung habe, bin ich nicht sicher, ob Kühe gern Körner fressen, aber diese hier war zweifellos voll davon, und der Augenschein lässt sich nicht leugnen.«
Friedrich strich sich den Bart, kniff die Augenzusammen und sah Gagliaudo scharf an. »Baudolino«, sagte er dann, »mir ist, als hätte ich diesen Mann schon mal irgendwo gesehen, aber es muss schon ziemlich lange her sein. Kennst du ihn nicht?«
»Mein Vater, ich kenne hier mehr oder weniger jeden. Aber es geht jetzt nicht darum, wer dieser Mann ist, sondern ob es wirklich stimmt, dass sie in der Stadt all diese Kühe und all dieses Getreide haben. Denn, wenn du meine ehrliche Meinung hören willst, sie könnten ja auch versucht haben, dich zu täuschen, sie könnten die letzte Kuh mit dem letzten Getreide vollgestopft haben.«
»Schöner Gedanke, Baudolino. Darauf wäre ich wirklich nicht gekommen.«
»Heilige Majestät«, meldete sich da der Markgraf von Montferrat zu Wort, »halten wir diese Dörfler nicht für intelligenter, als sie sind. Mir scheint, wir haben hier den klaren Beweis vor Augen, dass die Stadt besser mit Vorräten ausgerüstet ist, als wir angenommen hatten.«
»O ja, o ja!« sagten alle versammelten Herren wie mit einer Stimme, woraus Baudolino schloss, dass er noch niemals so viele Leute gesehen hatte, die alle gemeinsam wider besseres Wissen sprachen, wobei jeder wusste, dass die anderen wider besseres Wissen sprachen. Aber das hieß eben auch, dass diese Belagerung mittlerweile für alle unerträglich geworden war.
»So scheint auch mir, dass mir scheinen muss«, sagte Friedrich diplomatisch. »Das feindliche Heer bedrängt uns im Rücken. Wenn wir dieses Roboreto einnehmen würden, kämen wir trotzdem nicht umhin, der anderen Armee entgegenzutreten. Wir können auch nicht daran denken, die Stadt zu erobern und uns in ihren Mauern zu verschanzen, die so schlecht gebaut sind, dass unsere Würde dabei zu Schaden käme. Deshalb, meine Herren, haben wir folgendes beschlossen: Wir überlassen diese elende Ortschaft ihren elenden Kuhhirten und bereiten uns auf weit Größeres vor. Man erteile die entsprechenden Befehle.« Sprach's und sagte dann zu Baudolino, während er das kaiserliche Zelt verließ: »Schick den Alten nach Hause. Er ist sicher ein Lügner, aber wenn ich alle Lügnerhängen müsste, wärst du schon lange nicht mehr auf dieser Welt.«
»Geh nach Hause, Vater, es hat geklappt«, murmelte Baudolino zwischen den Zähnen, während er Gagliaudo die Fesseln abnahm. »Und sag dem Trotti, er soll mich heute Abend an der gewohnten Stelle erwarten.«
Friedrich hatte jetzt Eile. Es gab keine Zelte mehr abzubauen in jenem Müll- und Gerümpelhaufen, der das Lager der Belagerer inzwischen war. Er ließ die Männer antreten und befahl, alles zu verbrennen. Um Mitternacht war die Vorhut bereits unterwegs zu den Feldern von Marengo. Dahinter im Osten, zu Füßen der Hügel von Tortona, blinkten Feuer: Dort wartete das Heer der Liga.
Nachdem er sich vom Kaiser die Erlaubnis geholt hatte, ritt Baudolino in Richtung Sale, und an einer Wegkreuzung stieß er auf Trotti und zwei Konsuln
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