Baudolino
sagte, ich war ein bißchen der Liebling der Stadt, ich trug ein Schwert an der Seite, ich lebte am Hof... Es würde keine schlechte Verbindung sein, und Guasco selbst war es, der eines Tages zu mir sagte: ›Warum
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heiratest du Colandrina nicht, sie ist mir ein kleiner Tolpatsch geworden, sie läßt Geschirr fallen, und wenn du nicht da bist, steht sie dauernd am Fenster, um zu sehen, ob du nicht kommst.‹
Es war eine schöne Hochzeit, die Trauung wurde in San Pietro vollzogen, der Kathedrale, die wir dem verstorbenen Papst geschenkt hatten - der neue wußte nicht mal, daß es sie überhaupt gab. Und es war eine seltsame Ehe, denn schon nach der ersten Nacht mußte ich fort, um bei Friedrich zu sein, und so ging es das ganze erste Jahr, ich sah meine Frau nur alle paar Monate, und es zog mir das Herz zusammen, wenn ich sah, wie sie sich jedesmal freute.«
»Hast du sie geliebt?«
»Ich glaube schon, aber es war das erste Mal, daß ich eine Ehefrau hatte, und ich wußte nicht recht, was ich mit ihr machen sollte, abgesehen von den Sachen, die ein Ehemann in der Nacht macht, aber tagsüber wußte ich nicht, ob ich sie streicheln sollte wie ein kleines Kind oder sie wie eine Dame behandeln, ob ich sie ausschimpfen sollte wegen ihrer Ungeschicklichkeiten, denn sie brauchte immer noch einen Vater, oder ob ich ihr alles verzeihen sollte, auch wenn sie alles kaputtmachte. Bis sie mir dann am Ende des ersten Jahres sagte, daß sie ein Kind
erwartete, und von da an habe ich sie behandelt, als wär sie die Heilige Jungfrau: Wenn ich heimkam, bat ich sie um
Verzeihung dafür, daß ich fortgewesen war, sonntags brachte ich sie zur Messe, damit alle sahen, daß Baudolinos gute Frau dabei war, ihm ein Kind zu schenken, und an den wenigen Abenden, die wir zusammen verbrachten, dachten wir uns aus, was wir mit dem kleinen Baudolinchen-Colandrinchen machen würden, das sie unter dem Herzen trug - eines Abends meinte sie, daß Friedrich ihm ein Herzogtum geben würde, und ich war drauf und dran, es auch zu glauben. Ich erzählte ihr vom Reich des Priesters Johannes, und sie sagte, dahin würde sie mich nicht für alles Gold der Welt allein reisen lassen, denn wer weiß, was
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für schöne Damen es da gebe, und sie wolle jenen Ort ebenfalls sehen, der schöner und größer sein müsse als Alexandria und Solero zusammen (Solero war ein Dorf in der Nachbarschaft).
Ich erzählte ihr auch vom Gradal, und sie riß die Augen auf und sagte: Denk nur, mein Baudolino, du gehst dorthin, kommst zurück mit dem Kelch, aus dem unser Herr Jesus getrunken hat, und wirst der berühmteste Ritter der Christenheit, du baust ein Heiligtum für diesen Gradal in Montecastello, und alle kommen, um ihn zu sehen, bis aus Quargnento...! Wir phantasierten wie die Kinder, und ich sagte mir: Armer Abdul, du glaubst, die Liebste sei eine ferne Prinzessin, und dabei ist meine so nah, daß ich sie hinterm Ohr kraulen kann, und sie lacht und sagt, hu, das kitzelt... Aber es hat nicht lange gedauert.«
»Warum nicht?«
»Weil gerade als sie schwanger war, da hatten die
Alexandriner ein Bündnis mit Genua gegen die Leute aus
Silvano d'Orba geschlossen. Es waren nur eine Handvoll Leute, aber sie machten die Gegend unsicher, überfielen die Bauern und raubten sie aus. Colandrina war an jenem Tag aus der Stadt hinaus auf die Felder gegangen, um ein paar Blumen zu
pflücken, weil sie gehört hatte, daß ich kommen würde. Sie war bei einer Schafherde stehengeblieben, um mit dem Schäfer zu plaudern, der ein Mann ihres Vaters war, und da kam plötzlich eine Bande von diesen Halunken herbeigestürmt, um sich auf die Schafe zu stürzen. Vielleicht wollten sie ihr gar nichts tun, aber sie stießen sie um und warfen sie zu Boden, die Schafe stoben auseinander und überrannten sie... Der Schäfer war Hals über Kopf davongelaufen, und so fand man sie erst am späten Abend, als man sie suchen gegangen war, und da hatte sie hohes Fieber. Guasco schickte jemanden, mich zu benachrichtigen, ich kam, so schnell ich konnte, aber inzwischen waren zwei Tage vergangen. Sie lag im Sterben, und als sie mich sah, wollte sie sich bei mir entschuldigen, denn das Kind, sagte sie, sei zu früh
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herausgekommen, und da sei es schon tot gewesen, und sie machte sich Vorwürfe, weil sie nicht mal imstande gewesen sei, mir einen Sohn zu schenken. Sie wirkte wie eine kleine
Wachsmadonna, und ich mußte das Ohr ganz nahe an ihren
Mund halten, um zu verstehen, was sie
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