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Baudolino

Baudolino

Titel: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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sei, um Friedrich daran zu hindern, den seinen
    herumzureichen, aber sie fügten hinzu, es gebe womöglich einen Verräter in der Kanzlei des Heiligen Römischen Reiches, der eine Abschrift ihres Briefes nach Konstantinopel habe gelangen lassen.
    Friedrich schwor, daß er dem Kerl; wenn er ihn erwische, sämtliche Glieder und Gliedmaßen einzeln ausreißen werde.
    Dann fragte er, ob sie sich nicht vielleicht Sorgen machen müßten wegen einer möglichen Initiative von Manuela Was, wenn der Brief geschrieben worden wäre, um einen Feldzug nach Indien zu rechtfertigen? Christian gab ihm dezent zu bedenken, daß Manuel gerade erst vor zwei Jahren nach
    Phrygien gegen den seldschukischen Sultan von Ikonion
    gezogen war und eine dramatische Niederlage in

    Myriokephalon hatte einstecken müssen. Genug, um ihn für den Rest seines Lebens von Indien fernzuhalten. Ja wenn man es genau bedachte, sei dieser Brief gerade ein Versuch Manuels, ein recht kindischer freilich, sich wieder ein bißchen Prestige zu verschaffen, nachdem er soviel davon verloren hatte.
    Wie auch immer, war es an diesem Punkt überhaupt noch
    sinnvoll, den Brief an Friedrich publik zu machen? Mußte man ihn nicht wenigstens ändern, damit nicht alle Welt glaubte, er sei von dem an Manuel abgeschrieben worden? »Warst du über
    diese Geschichte auf dem laufenden, Niketas?« fragte
    Baudolino.
    Niketas lächelte. »Damals hatte ich das dreißigste Lebensjahr noch nicht erreicht und war Steuerbeamter in Paphlagonien.
    Wäre ich Berater des Basileus gewesen, hätte ich ihm von solch infantilen Winkelzügen abgeraten. Aber Manuel hörte auf zu viele Höflinge, auf Kammerdiener und Eunuchen in seinen privaten Gemächern, sogar auf Sklaven, und oft war er auch dem Einfluß visionärer Mönche ausgesetzt.«
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    »Ich zerfraß mich innerlich, wenn ich an diesen Wurm von Zosimos dachte. Aber daß auch Papst Alexander ein Wurm war, schlimmer als Zosimos und schlimmer als die Salamander, das entdeckten wir erst im September, als in der Reichskanzlei ein Dokument eintraf, das vermutlich auch an die anderen
    christlichen Könige und an den griechischen Kaiser geschickt worden war. Es war die Kopie eines Briefes, den Alexander III.
    an den Priester Johannes geschrieben hatte!«
    Sicher hatte Alexander eine Kopie des Briefes an Manuel erhalten, vielleicht kannte er auch die alte, von Otto zitierte Botschaft des Bischofs Hugo von Gabala, vielleicht fürchtete er, daß Friedrich aus der Nachricht von der Existenz des
    Priesterkönigs irgendwelche Vorteile ziehen könnte, jedenfalls war er nun der erste, der nicht einen Appell empfing, sondern selber einen aussandte, denn in seinem Brief stand, daß er sogleich einen Legaten losgeschickt habe, um mit dem Priester zu verhandeln. Der Brief begann mit den Worten: Alexander Episcopus, Diener der Diener Gottes, entbietet dem teuersten Sohne in Christo Johannes, dem berühmten und herrlichen König der drei Indien, seinen Gruß und apostolischen Segen.
    Sodann rief der Papst in Erinnerung, daß nur ein einziger Apostolischer Stuhl (nämlich Rom) von Petrus das Mandat erhalten habe, Haupt und Lehrmeister aller Gläubigen zu sein.
    Des weiteren schrieb er, ihm sei schon viel Gutes über den Glauben und die Frömmigkeit des Priesterkönigs zu Ohren gekommen, und sein Leibarzt, Magister Philippus, ein
    besonnener, umsichtiger und zuverlässiger Mann, habe von vertrauenswürdigen Leuten gehört, daß Johannes sich mit der Absicht trage, zum wahren römisch-katholischen Glauben
    überzutreten. Das erfülle ihn selbstredend mit großer Freude, fuhr der Papst fort, doch leider könne er im Moment keine hochrangigen Würdenträger zu ihm entsenden, auch weil diese keine linguas barbaras et ignotas verstünden, aber er schicke
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    ihm den obengenannten Philippus, einen sehr diskreten und klugen Mann, auf daß er ihn im wahren Glauben unterweise.
    Sobald Philippus bei ihm eingetroffen sei, möge er ihm, dem Papst, bitte einen Bestätigungsbrief schicken, und - so schloß Alexander warnend - je weniger er sich darin in Prahlereien über seine Macht und seinen Reichtum ergehe, desto besser werde es für ihn sein, wenn er wolle, daß man ihn als einen demütigen Sohn der heiligen römischen Kirche empfange.
    Baudolino war entsetzt und empört bei dem Gedanken, daß es dermaßen schamlose Fälscher auf der Welt geben konnte.
    Friedrich tobte: »Dieser Satansbraten! Keiner hat ihm je geschrieben, und zum Trotz antwortet er einfach als

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