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Baudolino

Baudolino

Titel: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Petrus und Markus gebaut wurde.«
    Boiamondo fügte hinzu, zwei christliche Ritter sollten
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    angeblich zwei Häupter Johannes' des Täufers entwendet haben, ohne sie bisher zurückzugeben, jeder von ihnen eines, und alle Welt frage sich nun, welches von beiden das echte sei. Niketas lächelte verständnisvoll. »Ich wußte, daß hier in der Stadt zwei Johanneshäupter verehrt wurden. Das erste war von Theodosios dem Großen hergebracht und in die Kirche des Vorläufers Jesu gegeben worden. Aber dann hatte Justinian ein zweites in der syrischen Stadt Emesa gefunden. Ich glaube, er hatte es einem Kloster geschenkt, es soll dann später wieder in die Stadt gekommen sein, aber niemand wußte mehr, wo es war.«
    »Wie kann man denn eine Reliquie einfach vergesse noch
    dazu eine so kostbare?« fragte Baudolino.
    »Die Frömmigkeit des Volkes ist eine flatterhafte
    Angelegenheit. Jahrelang verehrt man voller Inbrunst einen heiligen Überrest, und plötzlich begeistern sich alle für etwas Neues, das noch wunderbarer erscheint, und das Alte wird schlicht vergessen.«
    »Aber welches der beiden Häupter ist denn nun das echte?«
    fragte Boiamondo.
    »Wenn man von heiligen Dingen spricht, darf man keine
    menschlichen Maßstäbe anlegen. Gleich welche der beiden Reliquien du mir hinhieltest, ich versichere dir, ich würde wenn ich mich vorbeugte, um sie zu küssen, den mystischen Geruch wahrnehmen, den sie ausströmt, und würde wissen, daß es sich um das echte Haupt handelt.«
    In diesem Augenblick kam auch Pevere aus der Stadt zurück.
    Außergewöhnliches sei dort im Gange, berichte er. Um zu verhindern, daß die leer ausgegangene Soldaten sich etwas vom Haufen in der Hagia Sophia nahm, hat der Doge eine erste rasche Bestandsaufnahme der aufgehäuften Dinge angeordnet, und man hatte auch einige griechische Mönche hinzugezogen, um die verschiedenen Reliquien zu erkennen. Dabei war
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    herausgekommen, daß nachdem man den größten Teil der Pilger gezwungen hat ihre Beute herauszurücken, sich nicht nur zwei Johanneshäupter in der Kirche befanden, was man ja schon wußte, sondern auch zwei Schwämme für den Essig, zwei
    Dornenkronen und manches mehr. Ein Wunder, feixte Pevere und schielte zu Baudolino, die kostbarsten Reliquien von Byzanz hatten sich vervielfacht wie die Brote und Fische. Einige der Pilger sahen darin ein Zeichen des Himmels zu ihren Gunsten und riefen, wenn nun an diesen seltenen Gütern solch ein Überfluß herrsche, hätte der Doge glauben müssen, daß jeder nach Hause trage, was er sich genommen habe.
    »Aber es ist ein Wunder zu unseren Gunsten«, sag Theophilos,
    »denn so werden die Lateiner nicht mehr wissen, welche
    Reliquien echt sind, und werden gezwungen sein, alles
    hierzulassen.«
    »Da bin ich nicht so sicher«, sagte Baudolino. »Jeder Fürst oder Markgraf oder Vasall wird froh sein, sich eine Reliquie mit nach Hause zu nehmen, die Scharen von frommen Verehrern anlockt und Schenkungen nach sich zieht. Wenn dann
    gemunkelt wird, es gebe eine ganz ähnliche in tausend Meilen Entfernung, wird man sagen, die sei falsch.«
    Niketas war nachdenklich geworden. »Ich glaube nicht an dieses Wunder«, sagte er. »Der Herr verwirrt unsere Sinne nicht mit den Überresten seiner Heiligen... Baudolino, könnte es sein, daß du hier in letzter Zeit, seit du in die Stadt gekommen bist, irgendeinen Schwindel mit Reliquien angestellt hast?«
    »Kyrios Niketas!« versuchte Baudolino in beleidigtem Ton zu sagen. Dann streckte er die Hände vor, wie um seinen
    Gesprächspartner zu beruhigen. »Nun, wenn ich dir denn die volle Wahrheit sagen soll... tja, der Moment wird kommen, da ich dir auch eine Geschichte von Reliquien werde erzählen müssen. Aber das werde ich erst später tun. Und außerdem, hast du nicht selber vorhin gesagt, wenn man von heiligen Dingen
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    spreche, dürfe man keine menschlichen Maßstäbe anlegen?
    Doch jetzt ist es spät geworden, ich denke, in einer Stunde, wenn es dunkel ist, können wir uns auf den Weg machen. Halten wir uns bereit.«
    Niketas, der gut gestärkt aufbrechen wollte, hatte Theophilos schon vor einiger Zeit gebeten, ein Monokythron zuzubereiten, was einige Zeit in Anspruch nahm. Es war ein bronzener Topf voller Rind- und Schweinefleisch, zum Teil noch mit den Knochen, und phrygischem Kohl, triefend von Fett. Da nicht mehr viel Zeit für ein ausgedehntes Mahl blieb, legte der Logothet seine guten Manieren ab und faßte nicht nur mit drei Fingern, sondern

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