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Baudolino

Baudolino

Titel: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Kriegsmaschinen vernichteten, aber die Städter taten nur so, als ob sie die Gräben um die Stadt zuschütteten, ließen sie jedoch weiter bestehen. Friedrich schickte Boten nach Crema, um die dortigen Bürger zur Eile zu treiben, doch die Cremeser drohten, die kaiserlichen Gesandten zu töten, wenn sie sich nicht schnellstens aus dem Staube machten, und töteten wirklich einige, die nicht rechtzeitig ent-kamen. Alsdann wurden Rainald von Dassel und ein Pfalzgraf nach Mailand geschickt, um dort die Stadtvögte zu ernennen, denn die Mailänder konnten nicht einerseits behaupten, sie anerkennten die kaiserlichen Rechte, und sich andererseits ihre eigenen Konsuln wählen. Aber auch hier fehlte nicht viel, daß den beiden Gesandten das Fell gegerbt worden wäre, und
    diesmal waren es nicht irgendwelche Boten, sondern immerhin der Kanzler des Reiches und einer der Grafen aus der nächsten
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    Umgebung des Kaisers! Damit nicht zufrieden, belagerten die Mailänder das Kastell von Trezzo und legten dessen Besatzung in Ketten. Schließlich griffen sie erneut die Stadt Lodi an, und wenn jemand Lodi angriff, sah der Kaiser rot. So beschloß er, um ein Exempel zu statuieren, die Stadt Crema zu belagern.
    Zunächst ging die Belagerung nach den Regeln eines Krieges zwischen Christen vonstatten. Die Cremeser, unterstützt von den Mailändern, machten ein paar schöne Ausfälle und nahmen viele Kaiserliche gefangen. Die Cremoneser (die sich aus Haß auf ihre Nachbarn in Crema für diesmal auf die Seite des Reiches stellten, zusammen mit den Pavesern und den Lodianern) bauten große Belagerungsmaschinen - die am Ende mehr Belagerern als Belagerten das Leben kosten sollten, aber so liefen die Dinge damals. Es habe wunderschöne Zusammenstöße gegeben, er-zählte genüßlich der Poet, und alle erinnerten sich an das eine Mal, als der Kaiser sich von den Lodianern zweihundert leere Fässer geben ließ, sie mit Erde füllen und in den Graben werfen ließ, den Rest zuschütten und mit Reisig bedecken ließ, das die Lodianer mit mehr als zweihundert Karren herangeschafft hatten, so daß man schließlich mit den Rammen oder ›Widdern‹
    darüberfahren konnte, um Breschen in die Mauer zu schlagen.
    Doch als sie dann mit dem größten der hölzernen Türme, den die Cremoneser gebaut hatten, zum Angriff schritten und die Belagerten anfingen, mit ihren Wurfmaschinen so viele Steine zu schleudern, daß der Turm umzufallen drohte, geriet der Kaiser in Rage. Er ließ Kriegsgefangene aus Crema und
    Mailand vorn und seitlich an den Turm binden, denn er dachte, wenn die Belagerten ihre Brüder, Vettern, Söhne und Väter da vor sich sähen, würden sie nicht zu schießen wagen. Er hatte nicht bedacht, wie sehr auch die Cremeser inzwischen in Rage waren, sowohl diejenigen auf den Mauern wie auch diejenigen, die außen vor den Mauern an den Turm gebunden waren.
    Letztere nämlich riefen ihren Brüdern zu, sich nicht um sie zu
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    kümmern, und die auf den Mauern fuhren fort, mit
    zusammengebissenen Zähnen und Tränen in den Augen, als
    Henker ihrer eigenen Verwandten den Turm zu beschießen, wobei sie neun der Ihren töteten.
    Studenten aus Mailand, die nach Paris kamen, schworen
    Baudolino, es seien auch kleine Kinder an den Turm gebunden gewesen, aber der Poet versicherte ihm, das sei nur ein bösartiges Gerücht. Tatsache ist, daß an diesem Punkt auch der Kaiser beeindruckt war und die restlichen Gefangenen losbinden ließ. Aber Cremeser und Mailänder, außer sich vor Wut über das Ende ihrer Kameraden, griffen sich in der Stadt ihrerseits gefangene Kaiserliche und Lodianer, schleppten sie auf die Mauern und töteten sie kaltblütig vor den Augen Friedrichs.
    Daraufhin ließ dieser zwei gefangene Cremeser vor die Mauern bringen, beschuldigte sie als Banditen und Meineidige, machte ihnen an Ort und Stelle den Prozeß und verurteilte sie zum Tode. Die Cremeser ließen ihn wissen, wenn er die beiden hängen lasse, würden sie ihrerseits alle Gefangenen hängen, die sie noch als Geiseln in der Stadt hatten, Friedrich erwiderte, das wolle er sehen, und ließ die beiden hängen. Woraufhin die Cremeser, ohne ein weiteres Wort zu sagen, alle ihre Geiseln coram populo aufknüpften.
    Friedrich, der nur noch tobte, ließ seinerseits alle Cremeser herbeiholen, die er noch hatte, ließ vor der Stadt einen Wald von Galgen errichten und machte Anstalten, alle hängen zu lassen.
    Bischöfe und Äbte stürzten herbei und flehten ihn an, Gnade walten zu

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