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Baudolino

Baudolino

Titel: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Gemenge aus Blut und Kot war.
    Teile dieser Vorhut des Antichrist machten sich über die Altäre her, Niketas sah, wie einige ein Tabernakel aufbrachen, den Kelch herausrissen, die geweihten Behältnisse auf den Boden warfen, mit ihren Dolchen die Edelsteine vom Kelch absprengten, diese in ihre Taschen steckten und den Kelch auf einen Haufen anderer zum Einschmelzen bestimmter
    Gegenstände warfen. Doch zuvor nahmen einige grinsend aus
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    der Satteltasche ihres Pferdes eine Flasche Wein, gossen etwas in das geweihte Gefäß und tranken daraus, wobei sie die Bewegungen eines Zelebranten nachäfften. Schlimmer noch, auf dem nun leergeräumten Hauptaltar vollführte eine halbentblößte Prostituierte, die Züge entstellt von irgendeinem Rauschtrank, barfüßig einen Tanz, frivol auf dem Tisch der Eucharistie die heilige Liturgie parodierend, während die Männer lachten und sie aufforderten, sich auch noch die letzten Kleider vom Leibe zu reißen. Nachdem sie der Aufforderung Stück für Stück Folge geleistet hatte, war sie darangegangen, vor dem Altar den lüsternen alten Kordax zu tanzen, und schließlich hatte sie sich, müde rülpsend, in den Sessel des Patriarchen geworfen.
    Weinend über das, was er sah, hatte Niketas sich rasch auf den Weg zum hinteren Teil der Kirche gemacht, wo jene Säule stand, die der Volksmund die Schwitzende nannte - denn in der Tat überzog sie sich, wenn man sie berührte, mit einem
    mystischen Schweiß, aber es war nicht aus mystischen Gründen, daß Niketas sie erreichen wollte. Etwa auf halbem Wege dorthin traten ihm zwei hochgewachsene Invasoren entgegen - ihm erschienen sie wie Riesen - und riefen ihm etwas in herrischem Ton zu. Es war nicht notwendig, ihre Sprache zu verstehen, um zu begreifen, daß sie aufgrund seiner höfischen Kleidung dachten, er müsse mit Gold beladen sein oder ihnen sagen können, wo er welches versteckt habe.
    In diesem Augenblick fühlte sich Niketas verloren, denn wie er bei seinem verzweifelten Gang durch die Straßen der
    eroberten Stadt gesehen hatte, genügte es nicht zu zeigen, daß man nur wenige Münzen bei sich trug, oder zu verneinen, daß man irgendwo einen Schatz verborgen habe: Ehrwürdige Greise, erniedrigte Hochgestellte, ihres Besitzes beraubte Besitzer wurden aufs schlimmste gefoltert, damit sie verrieten, wo sie ihre Habe versteckt hatten, wurden getötet, wenn sie es nicht verraten konnten, weil sie nichts mehr besaßen, oder
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    liegengelassen, wenn sie es verrieten, nachdem sie so viele und gräßliche Qualen erlitten hatten, daß sie in jedem Fall daran starben, indes ihre Peiniger eine Steinplatte anhoben, eine falsche Wand einrissen, eine Hängedecke ruinierten und ihre gierigen Hände auf kostbares Tafelgeschirr legten, Samt und Seide befühlten, Pelze streichelten, Edelsteine und Geschmeide zwischen den Fingern drehten, Dosen und Säckchen voll
    seltener Spezereien beschnupperten.
    So sah sich Niketas in jenem Augenblick bereits tot, er beweinte seine verlorene Familie und bat den Allmächtigen um Vergebung für seine Sünden. Im selben Augenblick kam
    Baudolino in die Hagia Sophia.
    Er kam hereingesprengt, prächtig wie Saladin, auf einem Roß mit Schabracke, ein rotes Kreuz auf der Brust, das gezogene Schwert in der Hand, und er brüllte: »Gottverfluchte Saubande, Lumpenpack, Hurenböcke, Himmelsakra, ist das die Art, wie man mit den Dingen unseres Herrn umgeht?« Dabei drosch er mit der flachen Klinge auf jene gotteslästerlichen Plünderer ein, die genau wie er ein Kreuz auf der Brust trugen, nur daß er nicht betrunken war, sondern außer sich. Er trieb sie rechts und links auseinander, sprengte mitten hindurch, und als er bei der auf dem Patriarchensessel hingefläzten Hure ankam, bückte er sich hinunter, packte sie an den Haaren und schleifte sie in den Kot der Maultiere, wobei er ihr gräßliche Dinge zurief über die Mutter, die sie geboren hatte. Doch ringsumher waren
    diejenigen, die er durch sein Tun zu bestrafen glaubte, so betrunken oder so sehr damit beschäftigt, Edelsteine
    zusammenzuraffen, wo immer es welche geben mochte, daß sie gar nicht bemerkten, was er tat.
    Während er noch dabei war, stieß er unversehens auf die zwei Riesen, die sich gerade anschickten, den armen Niketas zu foltern. Er blickte den Ärmsten an, der um Gnade flehte, ließ die Haare der Kurtisane los, die verunstaltet auf den Boden sank,
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    und sagte in bestem Griechisch: »Bei allen zwölf
    Magierkönigen aus dem Morgenland,

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