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Baudolino

Baudolino

Titel: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Reiterei bis zum Hals darin versank.
    Schließlich brachten die Alexandriner eine Maschine zum Einsatz, die man so ähnlich schon in Crema gesehen hatte: ein hölzernes Gerüst, das auf der Mauerkrone befestigt wurde und aus dem sich ein langer schmaler Steg hervorschob, der schräg nach unten geneigt über den Köpfen der Feinde in der Luft hängenblieb. Über diesen Steg wurden Fässer gerollt, gefüllt mit trockenem Reisig und durchtränkt mit Öl, Speck, Schweinefett und flüssigem Pech, die man in Brand gesteckt hatte. Die Fässer kamen in rascher Folge und fielen auf die kaiserlichen
    Belagerungsmaschinen oder auf die Erde, wo sie als
    Feuerkugeln weiterrollten, bis sie an eine andere Maschine stießen und sie in Brand steckten.
    Von diesem Moment an bestand die Hauptarbeit der Belagerer darin, Wasser herbeizuschleppen, um die Brände zu löschen.
    Nicht daß es an Wasser gemangelt hätte, es gab das im Fluß und das im Sumpf und das, welches vom Himmel herunterkam, aber wenn alle Soldaten Wasser schleppen, wer soll dann die Feinde töten? So beschloß der Kaiser, den Winter damit zu verbringen, sein Heer wieder aufzufrischen, auch weil es schwierig ist, Mauern zu berennen, wenn man auf Eis ausrutscht oder im Schnee versinkt. Unglücklicherweise war auch der Februar in jenem Jahr bitterkalt, das Heer war entmutigt und der Kaiser noch mehr. Jener selbe Friedrich, der alte und
    kriegserfahrene Städte wie Tortona und Crema und sogar
    Mailand unterworfen hatte, versagte vor einer Ansammlung elender Hütten, die gerade erst durch ein Wunder Stadt
    geworden war und von Leuten bewohnt wurde, von denen Gott allein wußte, woher sie kamen und warum sie sich so für diese Bastionen einsetzten - die noch dazu vor ihrem Eintritt ins Dasein nicht einmal die ihren gewesen waren.
    Ferngeblieben, um nicht mit ansehen zu müssen, wie seine
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    Landsleute niedergemetzelt wurden, beschloß Baudolino jetzt, sich hinzubegeben, aus Furcht, seine Landsleute könnten dem Kaiser etwas antun.
    Und so kam er nun erneut in die Ebene, in der sich jene Stadt erhob, die er noch im Bau gesehen hatte. Ringsum starrend von Bannern mit einem großen roten Kreuz auf weißem Grund, als wollten die Einwohner sich Mut machen, indem sie, Neulinge, die sie waren, die Wappen alten Adels vorzeigten.
    Vor den Mauern sah man eine Versammlung von Rammen,
    Wurfmaschinen und Katapulten, und dazwischen bewegten sich, gezogen von Pferden und geschoben von Männern, drei
    Belagerungstürme voran, hohe Holzgerüste, wimmelnd von
    lärmenden Menschen, die drohend die Fäuste in Richtung der Mauern schüttelten, als wollten sie sagen: »Jetzt kommen wir!«
    Zwischen diesen Türmen entdeckte Baudolino den Poeten, der geschäftig hin und her ritt mit der Miene dessen, der aufpaßt, daß alles richtig abläuft. »Wer sind diese Irren da auf den Türmen?« fragte er ihn. »Genuesische Armbrustschützen«, antwortete der Poet, »die fürchterlichsten unter den
    Sturmtruppen in einer Belagerung, wie sie sein soll.«
    »Genuesische?« wunderte sich Baudolino. »Aber die Genueser haben doch zur Gründung der Stadt beigetragen!« Der Poet lachte auf und sagte, allein in den vier oder fünf Monaten, seit er hier sei, habe er schon mehrere Städte die Fahne wechseln sehen. Tortona sei noch im Oktober auf seiten der Liga
    gewesen, dann habe man gesehen, daß Alexandria sich besser hielt, als erwartet, habe zu fürchten begonnen, daß es zu stark werden könnte, und nun dränge ein großer Teil der Tortonesen darauf, daß ihre Stadt zum Kaiser überwechsle. Cremona war zur Zeit der Kapitulation Mailands auf seiten Friedrichs gewesen, in den letzten Jahren war es zur Liga übergewechselt, aber jetzt verhandle es aus irgendwelchen geheimnisvollen Gründen mit den Kaiserlichen.
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    »Und wie geht diese Belagerung voran?«
    »Schlecht geht sie voran. Entweder sind die dort drinnen gute Verteidiger, oder wir sind schlechte Angreifer. Wenn du mich fragst, diesmal hat Friedrich müde Söldner mitgebracht.
    Unzuverlässige Leute, die sich bei der ersten Schwierigkeit aus dem Staub machen, diesen Winter sind viele bloß wegen der Kälte abgehauen, und das waren Flamen, nicht etwa Mohren aus dem heißen Land, wo die Löwen sind. Und schließlich, im Lager sterben sie wie die Fliegen, an tausend Krankheiten, und drüben hinter den Mauern wird es nicht besser sein, denn allmählich müßten ihnen die Lebensmittel ausgehen.«
    Endlich begrüßte Baudolino den Kaiser. »Mein Vater,

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