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Baudolino

Baudolino

Titel: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Zeigefinger rotieren, »ihr denkt wohl gar nicht daran, euch zu ergeben, oder?«
    »Na hör mal! Unsere Köpfe sind noch härter als unsere
    Schwänze.«
    So ging es ein paar Wochen lang: Nach jedem Scharmützel begab sich Baudolino in die Stadt, vor allem, um zu erfahren, wer diesmal gefallen war (auch der Panizza? Auch der Panizza, er war ein braver Junge), und kehrte dann zu Friedrich zurück, um ihm zu sagen, daß die Belagerten gar nicht daran dächten zu kapitulieren. Friedrich schimpfte nicht mehr, sondern begnügte sich mit Sätzen wie: »Und was kann ich da tun?« Es war klar, daß es ihn mittlerweile reute, sich auf diese verwickelte Angelegenheit eingelassen zu haben: Das Heer zerfiel ihm, die Bauern versteckten das Korn und das Vieh im Wald oder
    schlimmer noch in den Sümpfen, man konnte sich weder in nördlicher noch in östlicher Richtung bewegen, ohne auf irgendeine Vorhut der Liga zu stoßen - kurzum, nicht daß diese Dorflackel tapferer als die Bürger von Crema waren, aber wenn etwas schiefläuft, dann läuft es schief. Andererseits konnte er auch nicht einfach abziehen, dann hätte er das Gesicht für immer verloren.
    Was die Rettung des Gesichts betraf, so verstand Baudolino aus einer Anspielung, die der Kaiser eines Tages auf seine als Kind geäußerte Prophezeiung über die Kapitulation von Tortona machte, daß er, wenn er nur ein Zeichen vom Himmel bekäme, irgend etwas, um aller Welt sagen zu können, der Himmel selbst habe ihm geraten, nach Hause zurückzukehren, dann würde er die Gelegenheit schon nutzen...
    Eines Tages, während Baudolino mit den Belagerten sprach, sagte Gagliaudo zu ihm: »Hör mal, du bist doch so intelligent und hast über Büchern studiert, in denen alles geschrieben steht, hast du nicht irgendeine Idee, wie alle nach Hause gehen
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    könnten? Wir haben schon unser ganzes Vieh bis auf eine Kuh schlachten müssen, und deine Mutter, wenn die hier noch länger in der Stadt eingeschlossen bleibt, dann erstickt sie.«
    Da kam Baudolino tatsächlich eine schöne Idee, und sogleich fragte er, ob sie eigentlich jenen falschen Tunnel gebaut hätten, von dem Trotti vor ein paar Jahren gesprochen hatte, bei dem der Feind glauben sollte, daß er in die Stadt führe, und statt dessen führte er den Angreifer in eine Falle.
    »Selbstverständlich«, sagte Trotti, »komm ihn dir ansehen.
    Schau, die Öffnung ist dort unten, in dem Dickicht dort etwa zweihundert Schritte vor der Mauer, direkt unter einer Art Grenzstein, der da scheinbar seit tausend Jahren liegt, dabei haben wir ihn extra von Villa del Foro hergeschleppt. Und wer dort draußen reingeht, kommt hier drinnen bei diesem Gitter raus, von dem aus man nur diese Taverne sieht und sonst gar nichts.«
    »Und jedem, der rauskommt, gebt ihr eins auf die Rübe?«
    »Also die Sache ist die, daß für gewöhnlich in einen so engen Tunnel, bei dem es Tage dauern würde, bis alle Belagerer durch sind, erstmal nur eine kleine Gruppe reingeht, um die Lage zu sondieren und den Ausgang zu öffnen. Und ganz abgesehen davon, daß wir nicht wissen, wie wir den Feinden mitteilen sollen, daß da ein Tunnel ist was hast du davon, wenn du zwanzig oder dreißig armen Christenmenschen den Schädel eingeschlagen hast, hat sich dann die ganze Mühe gelohnt? War doch bloß eine Gemeinheit und basta.«
    »Ja, wenn's nur darum ginge, ihnen eins auf die Rübe zu geben. Aber jetzt hör zu, was ich mir vorstelle, ja geradezu vor diesen meinen Augen sehe: Kaum sind diese Kerle in die Stadt eingedrungen, hören sie Posaunen erschallen, und umflackert von zehn Fackeln kommt aus jener Gasse dort ein Mann mit langem weißem Bart und weißem Mantel auf einem weißen
    Pferd gesprengt und mit einem großen weißen Kreuz in der
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    Hand, und er ruft: Bürger, Bürger, aufgewacht, der Feind ist da!
    Und daraufhin, noch ehe die Eindringlinge sich zu irgendwas entschlossen haben, erscheinen die Unseren in den Fenstern und auf den Dächern, wie du gesagt hast. Und nachdem sie die Eindringlinge gefaßt haben, knien sie nieder und rufen alle miteinander: Das war Sankt Peter, der unsere Stadt beschützt!
    Und sie treiben die Kaiserlichen in den Tunnel zurück und sagen zu ihnen: Dankt Gott, daß wir euch das Leben schenken, geht und erzählt im Lager eures Barbarossa, daß die Neue Stadt des Papstes Alexander vom Heiligen Petrus höchstpersönlich
    beschützt wird...«
    »Und Barbarossa wird so einen Unsinn glauben?«
    »Nein, denn er ist nicht dumm, aber eben

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