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Baudolino

Baudolino

Titel: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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weil er nicht dumm ist, wird er so tun, als ob er den Unsinn glaubt, denn ihm liegt mehr als euch daran, mit dieser Belagerung endlich Schluß zu machen.«
    »Nehmen wir an, es ist so. Wer wird dafür sorgen, daß sie den Tunnel entdecken?«
    »Ich.«
    »Und wo findest du den Blödmann, der darauf reinfällt?«
    »Den habe ich schon gefunden, er ist so blöd, daß er bestimmt darauf reinfällt und sich mit soviel Ruhm bekleckert, wie er's verdient, zumal wir uns ja einig sind, daß niemand umgebracht werden soll.«
    Baudolino dachte an den eitlen und aufgeblasenen Grafen Ditpold, und um den dazu zu bringen, etwas zu unternehmen, brauchte man ihm bloß anzudeuten, daß es Baudolino schaden würde. Es genügte also, ihn wissen zu lassen, daß es einen Tunnel gab und daß Baudolino nicht wollte, daß er entdeckt würde. Wie? Ganz einfach, schließlich hatte Ditpold ja Spitzel auf Baudolino angesetzt.
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    Nach Einbruch der Dunkelheit, als Baudolino zum Lager
    zurückkehrte, überquerte er erst eine kleine Lichtung und ging dann in den Wald hinein, aber kaum zwischen den Bäumen
    angelangt, blieb er stehen und schaute zurück, gerade
    rechtzeitig, um im Mondlicht eine Gestalt zu sehen, die geduckt über die Lichtung lief. Es war der Mann, den Ditpold auf seine Spur gesetzt hatte. Baudolino wartete im Schutz der Bäume, bis der Mann so nahe herangekommen war, daß er fast in ihn
    hineingerannt wäre, setzte ihm dann die Schwertspitze auf die Brust und sagte auf Flämisch, während der andere vor Schreck wimmerte: »Dich kenne ich, du bist einer der Brabanter. Was machst du hier außerhalb des Lagers? Sprich, ich bin ein Ministeriale des Kaisers!«
    Der Mann stammelte etwas von einer Frauengeschichte, und es klang sogar halbwegs überzeugend. »Na gut«, sagte
    Baudolino, »jedenfalls ist es ein Glück, daß du gerade
    vorbeigekommen bist. Folge mir, ich brauche jemanden, der aufpaßt, während ich etwas mache.«
    Für den Mann war es ein Geschenk des Himmels, er war nicht nur unerkannt geblieben, sondern konnte seine Spitzeltätigkeit Arm in Arm mit dem Bespitzelten fortsetzen Baudolino ging zu dem Dickicht, das ihm Trotti gezeigt hatte. Er brauchte gar nichts zu fingieren, denn er mußte wirklich eine Zeitlang stöbern und wühlen, bis er den alter Grenzstein fand, wobei er etwas vor sich hin brummelte von einem Hinweis, den er gerade von einem seiner Informanten bekommen habe. Endlich fand er den Stein, der tatsächlich so aussah, als ob er da mit den Sträuchern gewachsen wäre, untersuchte ringsum den Boden, schob da: Laub und die Zweige beiseite, bis ein Eisengitter zum Vorschein kam. Er bat den Brabanter, ihm zu helfen, und gemeinsam hoben sie es hoch: Darunter waren drei Stufen »Hör zu«, sagte er zu dem Mann. »Du steigst runter und gehst durch den Tunnel, der hier sein muß, bis es nicht mehr weitergeht. Am Ende wirst
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    du vielleicht schon Lichter sehen. Schau dir alles an und merk dir gut, was du siehst. Dann komm zurück und berichte mir. Ich warte hier und passe auf, daß keiner kommt.«
    Der Mann fand es ganz natürlich, wenn auch leidvoll daß ein feiner Herr ihn erst bat, für ihn den Aufpasser zu spielen, und dann, wenn es brenzlig wurde, ihn in die Gefahr schickte, um selber die Rolle des Aufpassers zu übernehmen. Doch
    Baudolino hatte das Schwert gezückt, sicher um ihm den
    Rücken zu decken, obwohl man das ja bei diesen Herren nie weiß, und so bekreuzigte sich der Spitzel und stieg hinunter. Als er nach etwa zwanzig Minuten zurückkam, erzählte er keuchend, was Baudolino schor wußte, nämlich daß sich am Ende des Ganges ein nicht sehr schwer zu entfernendes Eisengitter befinde, hinter dem ein leerer Platz zu sehen sei, daß also der Tunnel direkt in die Stadt hineinführe.
    »Gab es Biegungen«, fragte Baudolino, »oder ist es immer geradeaus gegangen?« - »Immer geradeaus«, sagte der andere.
    Und Baudolino, als spreche er mit sich selbst: »Also befindet sich der Ausgang nur wenige Dutzend Schritte hinter dem Tor.
    Dieser Bestochene hatte also recht…« Dann sagte er zu dem Brabanter: »Du hast kapiert, was wir entdeckt haben. Beim nächsten Sturmangriff kann eine Handvoll mutiger Männer in die Stadt eindringen, sich bis zum Tor durchschlagen und es von innen öffnen. Es genügt, daß draußen andere bereitstehen, um hineinzustürmen. Mein Glück ist gemacht! Aber du darfst niemandem sagen, was du hier gesehen hast, ich will nicht, daß sich jemand meine Entdeckung zunutze macht.«

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