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Bauern, Bonzen und Bomben

Titel: Bauern, Bonzen und Bomben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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ist immer ein bißchen Semmel gewesen, der gute Frerksen, eine sehr weiche Semmel. Mag er ruhig ein bißchen braun und kroß werden.«

    10

    Es gibt einen Menschen in Altholm, der leidet wirklich unter den Folgen des sechsundzwanzigsten Juli, der leidet darunter Tag und Nacht.
    Es war nicht schwer zu raten, welche Stellung das Gymnasium Altholms zu den Ereignissen am sechsundzwanzigsten Juli nehmen würde: Ein Fahnenträger, der mit seiner Fahne eilt, war ein zu überzeugendes Bild, als daß die Jungen sich ihm hätten entziehen können. Und da Henning ein Held war, folgte klar, daß seine Angreifer Schurken waren.
    Wer aber war der Heerführer der Schurken gewesen? Wer hatte die Säbel zücken lassen auf den unseligen einzelnen?
    Niemand anders als Polizeioberinspektor Frerksen.
    Der war die schwarze Macht, der Nifling, der Unholde, er war der Ephialtes, der Welsche, das böse Prinzip.
    Und es war gemein, daß es doch einen Verteidiger für einen solchen Mann gab. Was für ein Schwein mußte dieser Verteidiger sein, der ganz klar Schwarz in Weiß verdrehte und Weiß in Schwarz!
    Hans Frerksen, elfjährig, Schüler der Quinta (grüne Mütze, gedrehte Goldschnur auf blauem Grund), hatte jeden Tag seinen Kampf zu kämpfen für den Vater.
    Er kämpfte ihn wacker, ohne ein Wort zu Haus.
    Es hatte sachte angefangen am Tage nach der Demonstration mit Fortgucken, Tuscheln, Großansehen, Isolieren.
    Hans hatte ja in jener Nacht ein Gespräch angehört im Schlafzimmer der Eltern, das auch sein Schlafzimmer war. Seine schwache Blase hatte ihn diesmal grade zur rechten Zeit geweckt, um vom Vater zu hören, daß diese Bauern Schurken waren, Verbrecher, die kein Mitleid verdienten.
    |365| Er hatte innerlich gelächelt, als sie ihn so anstarrten, diese Bande war ja so dumm. Sie wußten über nichts Bescheid. Immer schimpften alle zuerst auf die Polizei, und nachher sahen sie ein, daß die es doch recht gemacht hatte.
    Aber die Isolierung dauerte ein wenig lange, für ein Kind jedenfalls. Auf dem Hof, in der Pause, war er Gegenstand des Angestarrtwerdens geworden. Große Schüler, selbst Primaner, ließen sich in seine Nähe führen, betrachteten ihn, sagten: »So, das ist der« und gingen wieder weg. Nach den Pausen, wenn sich alles durch die engen Türen, über die zu schmalen Treppen drängte, war um Hans Frerksen eine Luftschicht, ein freier Raum. Sie kamen nicht gerne an ihn heran.
    Es dauerte erschreckend lange, bis die Wahrheit bekannt wurde, und das schlimmste war: Auch die Lehrer ließen sich anstecken. Es gab da verschiedene Methoden. Manche fragten ihn besonders viel, manche übergingen ihn grundsätzlich. Aber in der Art des Fragens, in der Art des Übergehens lag dies: Das ist der Frerksen, der Sohn von dem Frerksen.
    Er wurde isoliert, also isolierte er sich selbst. Mit dieser ganzen Bande wollte er nichts zu tun haben, gut, er konnte warten, eines Tages würden sie zu ihm kommen, dann würde er sie nicht kennen. Keinesfalls wollte er verzeihen. Er wollte unerbittlich sein, stolz.
    Aber dann, an irgendeinem Tage, änderte Hans Frerksen die Taktik. Er war so hohl innen, es war nichts mehr in ihm, sein Stolz war erschöpft. Er ging zum Angriff vor. Er drängte sich in die Kreise der andern, er redete dazwischen, es kümmerte ihn gar nicht, wenn sie weggingen. Ging er eben nach.
    Er fing an zu sprechen von diesen Bauern, diesen Verbrechern, und er erreichte wenigstens, daß sie ihm zuhörten. Aber sie fragten gar nichts, sie stritten nicht mit ihm, sie hörten zu, und dann gingen sie weg und lachten höhnisch.
    Es gab jetzt Namen für ihn, auch Anspielungen wurden gemacht. Schrecklich viel war von einem gewissen Säbel die Rede, er verstand kein Wort davon. Dann legten sie ihm Nummern der »Bauernschaft« in sein Pult. Da war die Säbelgeschichte |366| erzählt, da waren Schimpfkanonaden zu lesen auf den roten Frerksen, den Blut-Frerksen, der am liebsten in Bauernblut badete.
    Es war natürlich alles erlogen, aber stille sein konnte man nicht dazu, man steigerte sich, wie die sich steigerten, man sprach von den Verbrechern, die an die Wand gestellt zu werden verdienten.
    Es ging, wie es ging. Zuerst kam er vor seinen Ordinarius und einige Tage später vor seinen Direktor.
    Dies und das. »Hast du das gesagt von Verbrechern, die man an die Wand stellen sollte?«
    »Ja«, sagt Hans Frerksen.
    »Aber wie kannst du das? Wo hast du das gehört?«
    »Das hat mein Vater gesagt, und mein Vater weiß Bescheid.«
    »Junge,

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