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Bauern, Bonzen und Bomben

Titel: Bauern, Bonzen und Bomben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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überlege dir. Das kann dein Vater doch nicht gesagt haben!«
    »Doch. Das hat er gesagt.«
    »Aber Frerksen. Hier sind viertausend Bauern in der Stadt gewesen. So alt bist du doch schon, zu wissen, daß die nicht alle Verbrecher sein können. Soll man die alle totschießen?«
    »Ja.«
    »Aber du hast doch sicher gelesen, daß auch ein Dentist schwer verletzt worden ist, ein ganz Unbeteiligter. Das ist doch nun gewiß kein Verbrecher?«
    »Doch«, sagt der Junge.
    »Aber wieso? Überlege doch. Ein einfacher Dentist, der zu einem Patienten geht?«
    »Man soll sich nicht an Aufläufen beteiligen. Man soll weggehen, wo Aufläufe sind, sagt Vater. Wenn man in Aufläufe geht, trägt man selbst die Gefahr.«
    »Aber dann ist man doch kein Verbrecher.«
    »Doch«, sagt der Junge.
    Der Herr Direktor ärgert sich. »Nein, das ist man nicht. Die Bauern sind keine Verbrecher.«
    »Doch«, beharrt Hans Frerksen.
    |367| »Du hörst, daß ich ›nein‹ sage. Ich bin dein Lehrer. Ich weiß das besser als du.«
    »Vater sagt, daß es Verbrecher sind.« Und mit Zähigkeit: »Die gehören alle totgeschossen.«
    »Nein!« brüllt der Schulherr. Und ruhiger: »Ich bin betrübt, daß ich dies von dir hören mußte. Ich weiß, du wirst später anderer Ansicht sein.«
    »Nein!«
    »Du hast jetzt stille zu sein und zuzuhören. Du wirst später anderer Ansicht sein, sage ich …«
    »Nein«, sagt der Junge.
    »Zum Donnerwetter, hältst du jetzt deinen Mund! Ich werde dich bestrafen. – Hörst du, ich verbiete dir, mit deinen Kameraden, in der Schule, auf dem Hof von diesen Dingen zu reden. Kein Wort sprichst du mehr davon, verstanden?«
    Der Junge sieht ihn trotzig an.
    »Ob du verstanden hast, frage ich.«
    »Aber wenn die anfangen! Ich kann doch nicht gegen meinen Vater reden lassen.«
    »Dein Vater … Gut, ich werde deinem Ordinarius sagen, daß der Klasse verboten wird, davon zu reden. Dann wirst du auch still sein, nicht wahr?«
    Der Junge sieht ihn an.
    »Also gut, dann geh schon, Frerksen.« An der Tür ruft er ihn noch einmal an. »Wann hat dein Vater das gesagt von den Verbrechern?«
    »In der Nacht nach der Demonstration.«
    »In der Nacht? Bist du denn wach gewesen?«
    »Ja.«
    »Schläfst du im Schlafzimmer deiner Eltern?«
    »Ja.
    »Hat er es zu dir gesagt oder zu deiner Mutter?«
    »Zur Mutti.«
    »Gut. Schön. Dann geh schon.«
    Er ist gegangen. Aber eigentlich war es schlimmer danach als vorher. Sicher, in seiner Gegenwart wurde nicht mehr |368| darüber gesprochen. Aber ganz abgesehen davon, daß sie ewig hinter seinem Rücken darüber brabbelten, sprachen sie nun überhaupt nicht mehr mit ihm. Er war ausgestoßen, ein Geächteter, er hatte verraten, gepetzt. Der Sohn wie der Vater, Schurken beide.
    Hans hat zehnmal den Entschluß gefaßt, mit der Mutter davon zu reden. Aber wenn er sie sah, ängstlich, scheu, mit rotgeweinten Augen, schwieg er. Er verstand, daß es ihr nicht anders ging wie ihm. Die Großeltern kamen nicht mehr, und die Verwandten kamen auch nicht mehr ins Haus. In den Semmelbeutel an der Tür war schon zweimal morgens Dreck getan, und die Kirschbäumchen im Garten hatte jemand nachts abgeknickt.
    Jeder trug seine Last, auch Grete, wenn auch Mädels ganz anders sind, die quatschen so lange über alles, bis sie selbst nicht mehr wissen, woran sie sind.
    Er kommt mittags nach Haus und hängt seine Mütze an den Haken. Legt seine Schultasche auf den Stuhl im Vorraum.
    Papa ist schon da. Sein Säbel hängt an der Garderobe. Dieser verdammte Säbel! Natürlich ist alles gelogen, was sie darüber sagen. Aber Hans wüßte doch gern, wo der alte Säbel ist. Dieser ist neu, das hat er gleich gemerkt.
    Aus dem Dunkel hinter dem Kleiderständer kommt die Mutter heraus. Sie weint so, die blanken Tränen laufen ihr über das Gesicht. »O Hans, Hans, was hast du gemacht! Der Vater …«
    Der Junge sieht sie an. »Weine doch nicht, Mutti. Ich habe gar nichts gemacht.«
    »Lüg nicht, Hans. Um alles in der Welt, lüg nicht. Da, geh rein zu Vater. Ich wollte, ich könnte dir helfen, mein armer Junge. Sei mutig und lüge nicht.«
    Der Junge geht ins Zimmer vom Vater. Der steht am Fenster und sieht hinaus.
    »Guten Tag, Vater«, sagt der Junge und bemüht sich, sehr mutig zu sein.
    |369| Der Vater antwortet nicht.
    Eine Weile stehen die beiden, und das Herz von Hans tut schrecklich schnelle, schmerzende Schläge. Dann dreht sich der Vater um. Der Sohn sieht den Vater an.
    »Hans! Was hast du … Nein, komm näher. Stell

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