Bauern, Bonzen und Bomben
Geheimbefehls tun sollen.« Er bricht ab.
»Dieser verschwundene Geheimbefehl. Wenn ich nur eine Ahnung hätte, was darin stand. Ich kann doch dem Temborius nicht sagen, daß ich ihn nie gelesen habe.«
Er schaut wieder in den Brief. »Vollends die Art, wie der Polizeioberinspektor Frerksen vorging, gibt zu heftigstem Tadel Anlaß. Frerksen wird bis zum Abschluß des Gerichtsverfahrens von der Polizeiexekutive entbunden und darf nur im Innendienst beschäftigt werden.
Endgültige Stellungnahme bis zum Gerichtsverfahren vorbehalten. Die Akten an den Herrn Minister des Innern weitergegeben.«
Plötzlich grinst der Riese, grinst über sein ganzes fettes Vollmondantlitz, und es ist gar kein Zweifel: Er freut sich wirklich.
|362| »Also, dies, lieber Assessor, ist, was man eine glatte Niederlage nennt. Temborius war rascher. Ich dachte wunder wie schlau ich war, als ich sofort zum Minister fuhr.«
Der Dicke sinnt, der Sturm ist vorbei.
»Ich werde«, spricht er, »den Frerksen erst mal in Urlaub schicken. Rufen Sie an, und lassen Sie ihn sofort herkommen. Er kann erst mal vier Wochen verschwinden. – Dann werde ich rumgehen beim Magistrat und alle ehrenwörtlich verpflichten, daß sie das Maul halten. Sie denken, die geben ihr Ehrenwort nicht? Lieber Stein, jetzt wird scharf geschossen, jetzt gibt es keine Gnade, jetzt trete ich den Leuten vor den Bauch, wenn sie nicht tun, was ich will.
Diese Briefe von Temborius, diese Entscheidung – davon darf kein Mensch was wissen. Der Schaden wäre zu groß. Und da es schließlich um den Geldbeutel der Bürger geht, wird der Magistrat schweigen.«
Es klopft, und eintritt der Oberinspektor Frerksen.
»Sagen Sie mal, Frerksen«, sagt Gareis. »Was ist das für ein Gemunkel in der Stadt mit Ihrem Säbel? Sie haben doch Ihren Säbel?«
»Jawohl, Herr Bürgermeister.« Und er legt die Hand auf den Säbelkorb, aber sein Gesicht rötet sich.
»Ja, was reden denn die Leute von Ihrem Säbel? Haben Sie den mal nicht gehabt?«
»Jawohl, Herr Bürgermeister.«
»Bitte nicht gar zu militärisch. Dann kapiere ich nämlich nichts. Ihr Säbel ist Ihnen also abgenommen?«
»Jawohl, Herr …«
»Schön. Schön. Und wann haben Sie den Säbel wiedergekriegt?«
Schweigen.
»Jetzt können Sie nicht mal mehr militärisch antworten. Sie haben ihn also gar nicht wiedergekriegt?«
Schweigen.
Der Bürgermeister richtet sich auf. »Ist es etwa richtig, daß der Funktionär der KPD, Matthies, im Besitz Ihres |363| Säbels ist, Herr Oberinspektor? Er rühmt sich nämlich damit.«
»Ich weiß es nicht, Herr Bürgermeister. Er hat mir den Säbel nachgebracht, da hatte ich keine Scheide. Und dann, nachher, da habe ich ihn vergessen.«
»So. So. Sie hatten Ihren Säbel vergessen. Den vergißt man ja so. Der Professor und der Regenschirm. Der Oberinspektor und der Säbel. Nun noch eins: Wollen Sie mir erklären, warum Sie das Verlieren des Säbels, das Nachtragen des Säbels, das Vergessen des Säbels in all Ihren wortreichen Berichten über die Demonstration nicht mit einem Wort erwähnt haben? – Ja, bitte! Jetzt haben Sie das Wort, Herr Oberinspektor.«
Aber Frerksen spricht nichts.
»Wollen Sie mir vielleicht auch erklären, Herr Oberinspektor, wie Ihr Junge dazu kommt, in der Schule zu verbreiten, Sie hätten gesagt, die Bauern wären alle Verbrecher und gehörten an die Wand? Nein, bitte, bitte, Herr Oberinspektor! Keine Redensarten. Ihr Junge hat das gesagt, der Direktor des Gymnasiums hat es mir selbst gemeldet.«
Frerksen steht stumm.
»Ja, Herr Oberinspektor, Sie hören zu. Sie antworten nicht. Vielleicht wollen Sie Zeit haben, sich Ihre Antworten zu überlegen? Sie sollen sie haben. Ich bitte Sie, nach Haus zu gehen und sich als auf Urlaub befindlich anzusehen. Den Urlaub verbringen Sie nicht in Altholm. Er läuft vorläufig vier Wochen. Sie geben mir Ihre Adresse. Ich mache Ihnen dann noch Mitteilung, ob der Urlaub verlängert wird.
Das war alles, Herr Oberinspektor.«
Das Wesen in blauer Uniform schlägt die Hacken zusammen. Dann, endlich, geht die Tür zu.
Der Assessor sagt mit weißem Gesicht: »Gott, Herr Bürgermeister, das verzeiht Ihnen der Frerksen nie.«
»Verzeihen …? Eines Tages wird er mir hierfür danken. Sollte ich ihm sagen, daß ihn der Präsident seines Amtes enthoben hat? Erstens hätte er’s weitergequatscht. Zweitens wäre sein Selbstgefühl völlig futsch gewesen. Jetzt ist er in |364| der schönsten Wut auf mich. Das stählt ihm den Rücken. Er
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