Bauern, Bonzen und Bomben
wenig, sagen Sie. Ich finde, es ist genug. Es ist alles, was man von einem Manne, der etwas beschicken möchte, verlangen kann. Ich werde warten.
|451| Es wird sich noch mancherlei ereignen, bis der Friede zwischen Stadt und Land da ist. Ich werde noch zehnmal unrecht bekommen. Ich werde warten.
Was ich Ihnen empfehlen kann, ist das, was ich selber tun werde: schweigen und warten.«
Er setzt sich ganz plötzlich.
Schon sitzt er stille da, in seinem großen steifen Lederstuhl, die Hände über den Bauch gefaltet, immer weiß man nicht, lächelt das fette Gesicht.
Er hat ihnen die Zähne gezeigt.
»Ich danke, meine Herren …
Ich
danke …«
Sie sitzen atemlos.
Dann kommt eine leichte Bewegung in den Raum. Auf der Tribüne lacht jemand.
Der Oberbürgermeister erhebt sich. Er fragt flüsternd, ob eine Aussprache gewünscht wird über die Interpellation. Falls ja, muß der Antrag von drei Stimmen unterstützt werden.
Der Oberbürgermeister setzt sich wieder.
Nun stehen zuerst einmal die beiden Deutschnationalen auf: Sie wünschen also die Aussprache. Na ja, natürlich.
Sie halten Ausschau nach der dritten Stimme, alle halten Ausschau. Werden sich nicht alle Bürgerlichen erheben wie ein Mann? Ein dritter Mann wird gesucht!
Auch Stuff starrt fieberhaft. Das ist ja unmöglich. Ein Mann, nur ein Mann fehlt! Alle die Bürgerlichen …
Ach, da wäre wohl so mancher, der gerne aufstünde. Aber der da im Ledersessel schon wieder pennt, das ist kein Gegner, mit dem man fechten kann, das ist ein wild gewordener Bulle, der keine Spielregeln kennt.
Der Oberbürgermeister wartet sehr lange. Eine sehr lange Weile stehen da: Notar Pepper und der Schlachtermeister Storm.
Dann erhebt sich der Oberbürgermeister Niederdahl und erklärt den Antrag für abgelehnt. Die heutige Stadtverordnetensitzung ist geschlossen.
|452| 3
Stuff steht, den Tod im Herzen, im Zimmer von Gareis. Der läßt ihm Zeit. Er packt sich Akten auf den Tisch, sieht einmal hoch nach dem Mann, der vom Fenster in den Septemberabend schaut, ohne etwas zu sehen. Gareis fängt an zu lesen.
Stuff seufzt schwer.
Und Gareis: »Warum seufzen Sie, Herr Stuff? Es sind eben Menschen.«
»Ja«, sagt Stuff bitter. »Das sind Menschen.«
»Lieber Herr Stuff, überschätzen Sie diese Stunde nicht. Ich bin im Augenblick oben. Wie lange noch, und auch ich werde wieder unten sein.«
Stuff sagt grob: »Das glauben Sie selbst nicht, Sie haben gesiegt.«
»Noch lange nicht«, sagt der Bürgermeister.
»Es war schändlich!« stöhnt Stuff.
»Es war schlechte Regie«, tröstet Gareis. »Wer betraut einen Fleischermeister mit so was? Und wer sichert sich nicht wenigstens eine Stimme im befreundeten Lager?«
»Ihre Regie klappte um so besser.«
»Sie irren. Auf niemanden ist ein Druck ausgeübt worden.«
Stille. Lange Stille.
Als lese der Bürgermeister die Gedanken von Stuff, sagt er: »Auch ich habe in den letzten Wochen viel daran gedacht, von Altholm wegzugehen. Nicht nur von Altholm, aus jeder kommunalen Tätigkeit überhaupt. Wer wirkliche Arbeit leisten will, bekommt den hemmenden Mist so über.«
»Ich möchte Ihnen etwas zeigen«, sagt Stuff plötzlich. »Lesen Sie einmal das.«
Es ist ein Brief, mit der Schreibmaschine geschrieben, ein anonymes Schreiben mit der Ortsangabe Stettin. Der sehr verehrte Herr Stuff wird darin von einer Freundin darauf aufmerksam gemacht, daß man Kenntnis hat von seinen Verfehlungen. |453| Sie sind in Klammern gesetzt, diese Verfehlungen, und heißen: Verführung zum Meineid, Verleitung zur Abtreibung, Mithilfe bei Abtreibung. Es wird dem sehr geehrten Herrn Stuff geraten, das Feld seiner Tätigkeit von Altholm fort zu verlegen. Eine Frist von vier Wochen wird ihm zugestanden, andernfalls … und so weiter, und so weiter.
»Wer?« fragt Gareis. »Wirklich eine Frau?«
»Es ist möglich, trotzdem ich es nicht glaube. Aber das würde nichts ändern.«
»Ja«, sagt der Bürgermeister und gibt den Brief zurück. »Ja.« Und plötzlich: »Warum gehen Sie nicht zur ›Bauernschaft‹? Dort ist Ihr Platz. Und dort sind jetzt freie Stellen nach den Verhaftungen.«
»Soll ich feige das Feld räumen?«
»Manchmal ist es sehr richtig, feige das Feld zu räumen.«
»Das tu ich nicht«, sagt Stuff. »Wenigstens bis zum Prozeß möchte ich noch hierbleiben. – Außerdem ließe mich Gebhardt nicht gehen.«
»Was nun das betrifft«, sagt der Bürgermeister langsam und spricht nicht weiter.
Stuff sieht ihn lange an. Ihre Blicke
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