Bauern, Bonzen und Bomben
seiner Frau zum Geburtstage eine Standuhr schenken sollte. Sie wünschte sich seit langem ein dunkles Eichending mit hellem Messingzifferblatt und Gewichten und einem Gongschlagwerk. Die Schwäger wollten ihm die Uhr zum Fabrikpreis lassen, das war sechzig Mark weniger, als solche Uhr in jedem Laden kostete.
Der Geburtstag kam heran, und Bartels überlegte, was zu tun sei. Es war nicht so, daß er ohne Sinn und Verstand in sein Unglück taperte, er überlegte es sich gründlich vorher, er lag wach darum. Er wußte ja, der Boykott war erklärt, er war selber auf der Heide in Lohstedt dabeigewesen, aber sechzig Mark auf und ab …
Eines Nachts im Bett fängt er an, mit der Frau darüber zu sprechen: »Ich liege hier und überlege, ob ich die Uhr nicht besser in Stolpe kaufe …?«
»In Stolpe?« fragt sie ganz verblüfft. »Die haben doch nicht solche Uhren.«
»Oder in Stettin.«
»Solche, wie in Altholm der Hans und der Gerhard haben, gibt es nicht in Stettin.«
»Das ist doch eine Fabrik, die arbeitet doch nicht nur für deine Brüder.«
Sie verlegt die Sache auf ein anderes Gebiet. »Und du willst achtzig Mark mehr ausgeben?«
»Sechzig Mark. Das ist es ja, was mich quält.«
»Nach Stettin ist auch viel weiter zu fahren.«
»Vielleicht schicken die die Uhr?«
»Dann bezahlst du auch der Eisenbahn was. Und Verpackung. Sonst schlägst du sie in ein paar Pferdedecken ein.«
|457| »Ich kann nicht mit den Pferden nach Altholm.«
»Es steht doch kein Aufpasser auf der Landstraße.«
»Wenn du nun warten würdest mit der Uhr? Nur einen oder zwei Monate?«
»Und was bekomme ich zu meinem Geburtstage statt dem?«
»Warten, sage ich.«
»Und zu meinem Geburtstag soll ich gar nichts haben?«
»Du sollst ja die Uhr haben. Nur später.«
»Also zum Geburtstag gar nichts?«
»Du hörst doch!«
»Die Brüder können sie mit Gelegenheit doch irgendwohin schicken?«
Schließlich ist die Uhr am Geburtstag da. Der Bauer hat sie nicht aus Altholm geholt, sondern aus Stolpe. Die Uhrmacher hatten sie in ihrem Auto mitgenommen und in Stolpe abgegeben. Die Uhr war in Stolpe gekauft.
Es sollte nicht viel geredet werden um die Uhr. Sie steht da im Zimmer. Jetzt im Sommer zur Ernte kommt niemand zu Besuch. Die Frauen, die rasch einmal vorsprechen, bleiben in Küche oder Milchkammer oder im Garten. Stehen beim Schwatz, es ist hilde Zeit.
Aber die Uhr schlägt, und die Besucherinnen horchen auf.
»Hast du eine neue Uhr? Die schlägt einmal lieblich.«
»Mein Mann hat sie in Stolpe gekauft. Zu meinem Geburtstag.«
»In Stolpe? Bist du schlecht mit deinen Brüdern?«
»Das nun nicht. Aber wegen dem Boykott.«
»So etwas hätte ich nicht getan. Was sollen deine Brüder denken? Verwandtschaft geht vor Freundschaft. Bei wem habt ihr sie denn gekauft?«
»Das könnte ich nun nicht sagen. Das hat mein Mann gemacht.«
»Hat er dir denn keinen Schein gegeben? Auf solche Uhren gibt es Scheine, daß man Reparaturen drei Jahre umsonst bekommt.«
|458| »Den wird mein Mann in seiner Lade haben.«
»Ja so. Du kannst nicht einmal nachsehen?«
»Jetzt habe ich grade die Hände voll Erde.«
»Nein, natürlich. Es ist nur, weil wir uns auch eine kaufen wollen. Aber wenn du nicht kannst …«
»Jetzt nicht.«
Es wird einmal gefragt, dreimal, zehnmal. Die Uhr hat einen so schönen Schlag, rein wie eine Orgel so sanft. Man will auch so eine haben.
Dann frägt man nicht mehr, man weiß Bescheid.
Nicht nur aus der kurzen Antwort der Bartelsschen, nein, man weiß plötzlich, daß die Merkels im Auto nach Stolpe gefahren sind, im Posthorn haben sie die Uhr abgestellt.
Nun weiß man es, und doch ereignet sich nichts. Bartels atmet auf.
Dann ereignet sich etwas: Die Uhr bleibt stehen.
Die Gewichte sind oben, aber die Uhr steht. Sie schlägt nicht, sie geht nicht.
Am Sonntag macht der Bauer den Uhrenkasten auf, es sieht alles ordentlich und blank aus. An einem großen Zahnrad ist ein Öltropfen ausgetreten, er zerwischt ihn gedankenlos zwischen den Fingern. Das Öl ist körnig, am liebsten möchte es knirschen, so viel Sand ist darin.
Der Bauer weiß Bescheid. Es wird ihm ein bißchen kalt. Die Uhr wird stehenbleiben müssen, an Reparatur ist jetzt nicht zu denken.
Aber der Bartels ist so, daß er am liebsten doppelte Gewißheit haben möchte oder zehnfache: Am Abend geht er in den Krug. Es sitzen nicht viel Bauern in der Gaststube, drinnen im Saal wird getanzt. Das Gewusel von den jungen Leuten lieben die Bauern nicht. Aber
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