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Bauern, Bonzen und Bomben

Titel: Bauern, Bonzen und Bomben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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liegen fest ineinander.
    Schließlich sagt Stuff: »Ach so. Na ja, dann freilich. Nun, ich habe das Gefühl, als wäre ich eben furchtbar naiv gewesen. Sie kennen vielleicht besser die Hand, die dies schrieb. Sie haben vielleicht …«
    »Halt!« sagt der Bürgermeister. »Halt!«
    Stuff verstummt.
    »Nicht für dies alles«, fängt der Bürgermeister in einem andern Tone an, »habe ich Sie herauf gebeten. Ich habe gestern in einer Sekunde äußerster Lebensgefahr Ihre Hilfe angerufen. Und ich habe dies mit Worten getan, die heute, nun, etwas ungewöhnlich klingen. Nicht wahr, Sie erinnern sich. – Ich habe den Wunsch, mit dem Mann, der mir zu Hilfe kam, nicht weiter in einem häßlichen Kleinkrieg zu leben.
    Aber Ihre Stellung und meine, beide hier in Altholm, sind |454| unverträglich. Ich bin bereit, aus Altholm fortzugehen. Wollen Sie lieber fort, so will ich Ihnen gerne behilflich sein. Es braucht ja nicht Stolpe zu sein, es gibt anderes wie die ›Bauernschaft‹. Über Berlin habe ich Beziehungen im Reich. Es würde keine SPD-Zeitung sein müssen, Herr Stuff. Sie blieben in Ihrem Anschauungskreis.
    Was meinen Sie?«
    Es ist fast dunkel im Zimmer.
    Stuff sagt langsam: »Was ich letzte Nacht für Sie tat, Herr Bürgermeister, hat nichts mit Ihnen zu tun. Auch ohne jene ungewöhnlichen Worte wäre ich gekommen. Für jeden.
    Aber Wahrheit um Wahrheit. Ich habe Sie einmal belogen. Hier in diesem Zimmer haben Sie mich eines Tages gefragt, ob ich etwas persönlich gegen Sie hätte. Ich habe das verneint.
    Ich habe gelogen. Herr Gareis, ich muß Ihnen sagen, ganz deutsch und deutlich: Ich kann Sie nicht ausstehen. Sie sind mir zuwider. Sie sind mir zuwider als ein Vertreter jener Schicht, die ich für den Verderb Deutschlands halte. Sie mögen noch so ernstliche Arbeit leisten wollen, Sie mögen es ehrlich meinen: Sie können das alles nicht.
    Sie sind ein Bonze, und Sie bleiben ein Bonze. Ihre Pläne, Ihre ehrlichsten Absichten werden stets von der Partei mitbestimmt und verfälscht, von einer Partei, die den Kampf gegen alle andern Schichten auf ihr Panier geschrieben hat.
    Ich habe vor einer Stunde gesehen, wie Sie Ihren Gegnern ins Gesicht gespuckt haben, Sie waren hochmütig. Sie haben den armen verdatterten Schlächtermeister nicht geschont, und Sie haben alle, alle verachtet.
    Sind Sie wirklich besser als die?
    Ich kann nichts für Sie tun. Ich kann Ihnen auch nicht aus dem Wege gehen.
    Aber das sind alles keine Gründe. Ich will Ihnen sagen, ich bin hier in Altholm groß geworden. Damals lag noch Infanterie hier, ein ganzes Regiment. Wenn dann die Musik durch die Straßen zog, lief ich als Junge barfüßig daneben her. Ich |455| versäumte jede Schule und das beste Essen, um dabeisein zu können. Später habe ich hier gedient.
    Sie haben das zerschlagen. Ihre Partei hat Deutschland kleingemacht. Sie haben die Leute in den Schützengräben aufgeputscht.
    Das sitzt im Blut. Das sitzt im Gefühl. Immer wenn ich Sie sehe, immer wenn ich Ihre Stimme höre, fühle ich es: der Bonze. Der dicke, fette, vollgefressene Bonze.
    Ich hab’s auch gestern nacht gefühlt, gestern nacht, als Sie auf der Erde lagen, zuerst habe ich gedacht: der Bonze.
    Es ist nicht anders, Bürgermeister, ich kann Sie nicht ausstehen.«
    Bürgermeister Gareis hat ihn ein paarmal unterbrechen wollen. Dann hat er geschwiegen.
    Jetzt steht er auf und dreht am Schalter. Das Licht bricht ein in den dunklen Raum.
    Er bietet dem andern die Hand. »Also, leben Sie wohl, Stuff.«
    »Na ja, Bürgermeister, also dann! – Vielleicht bekehren Sie sich doch einmal zu uns?«
    »Ich fürchte, es wird sich nicht machen lassen. – Guten Abend, Herr Stuff.«
    »Guten Abend, Herr Bürgermeister.«

    4

    Der Bauer Bartels in Poseritz ist ganz ein üblicher Bauer. Er ist genau wie die andern Bauern in Poseritz, ist, wie seine und aller Bauern Väter und Großväter waren, und es steht anzunehmen, daß auch Söhne und Enkel und Urenkel nicht anders ausfallen werden.
    Für die im Dorf aber ist er etwas sehr anderes, nämlich ein Verräter.
    Eine sehr bäuerliche Eigenschaft ist ihm zum Verhängnis geworden: Er ist ein bißchen genau. Genau, wenn es sich um |456| das Ausgeben von Geld handelt, das ihm nicht direkt zugute kommt.
    Die Sache, die ihn zu Fall brachte, war die:
    Seine Frau ist eine geborene Merkel, und die Merkels wohnen in Altholm. Zwei Brüder der Frau betreiben am Marktplatz in Altholm ein Uhrengeschäft.
    Es war ausgemacht seit langem, daß Bartels

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