Bauern, Bonzen und Bomben
sechs oder acht sind immerhin da.
Sie erwidern nichts auf seinen Gruß, sie stehen auf, lassen ihr Bier stehen und gehen fort.
Am Schanktisch steht eine Aushilfe, sie gibt ihm ein Glas Bier. Der Krüger kommt dazu, sieht wütend auf den Bauern |459| und schmeißt das Glas zum Fenster hinaus auf die Steine im Hof.
Auch der Bauer schaut böse. Aber er hält das Maul und geht in den Tanzsaal.
Die Musik ist im Gange. Es ist noch früh, hauptsächlich sind Knechte und Mägde da. Die Bauernkinder kommen erst später. Die jetzt da sind, kennen ihn nicht so, ihnen ist es auch egal, sie sehen ihn an, sie sehen ihn nicht an, sie tanzen an ihm vorbei.
Er weiß bestimmt, der Krüger ist nicht in den Saal gekommen, auch der Aushilfskellner nicht. Doch schweigt plötzlich die Musik. Es wird ein leerer Kreis um ihn, und der Kreis wird größer und größer. Die gehen hinaus zu den Saaltüren, zu den Saalfenstern, es ist leer um ihn, er steht allein.
Dann plötzlich geht auch das elektrische Licht aus, er tastet sich auf die Dorfstraße, sieht zurück: Der ganze Krug liegt im Finstern.
Es ist der erste Anfang, denkt er. Die machen es mit Gewalt. In einer Woche gibt es sich.
Aber am Morgen weckt ihn die Frau. »Geh mal zu den Knechten. Da ist wieder kein Schwein aufgestanden. Die Kühe brüllen.«
Die Knechte sind in ihrer Kammer. Aber sie lassen sich nicht wecken, weil sie schon wach sind, sie verlangen ihre Papiere.
Er weigert sich und besorgt das Vieh selbst.
Um neun, er ist grade mit dem Melken durch, kommen die Knechte mit dem Landjäger. Er wird belehrt, er darf ihnen die Papiere nicht vorenthalten. Wenn sie ihm fortlaufen, kann er gegen sie klagen beim Arbeitsgericht, aber jetzt muß er sie gehen lassen.
Als er ihnen die Papiere gibt, stehen die beiden Mägde untenan. Keine halbe Stunde, und er und seine Frau sind allein auf dem Hof.
Es ist kein ganz kleiner Hof: Er hat vier Pferde, zweiundzwanzig Kühe, von dem Jungvieh, den Schweinen und dem |460| Federvieh zu schweigen. Dazu die Ernte draußen auf dem Felde.
Das läßt sich nicht mit zweien beschicken.
Er schirrt schweigend an und fährt erst einmal die Milch in die Molkerei.
»Nimm deine Milch nur wieder mit. Die brauchen wir hier nicht.«
»Aber ich bin Genosse, und dies ist eine Genossenschaftsmolkerei.«
»Sieh in den Vertrag. Bis acht hast du die Milch zu liefern. Jetzt ist es gleich zwölf. Fahr nach Haus mit deiner Milch.«
Er tut’s. Er schüttet die Milch den Schweinen in die Tröge, so spart er das Futterrichten.
Die Frau geht verheult herum, einmal sagt sie leise: »Geh zum Büttner. Der hat’s aus Stolpe mitgebracht.«
»Zu dem Hund? Nie!«
Am Nachmittag geht er.
Die Bedingungen, die ihm gestellt werden, sind grauenhaft: tausend Mark Geldbuße an die Bauernschaft, öffentliches Verbrennen der Uhr, und, was das schlimmste ist, öffentlich hat er vor dem Dorf Verzeihung zu erbitten.
Öffentlich, alles soll dabeisein: Frauen, Kinder, Knechte, Mägde.
Nicht weit genug kann bekannt werden, wie einem geschieht, der mit Altholm paktiert.
»Es ist ja nur um eine Uhr. Und ich habe sie wirklich vor dem Boykott gekauft.«
»Eben, sonst hätte es dreitausend gekostet.«
»Die Bauern will ich bitten, aber vor allem Weibervolk …«
»Vor allem Weibervolk.«
Er geht, er wird das nie tun.
In seinem Hof daheim ist Unruhe im Stall, das Vieh reißt an den Ketten, hat schon gespürt, daß nicht alles im Lote ist.
Die Pumpe, die Wasser geben soll zur Tränke fürs Vieh, zieht nicht. Er schraubt sie auf. Das Pumpenleder fehlt, am Morgen war es noch da. Die Pumpe zieht nicht.
|461| Er könnte ein Leder schneiden, er hat eine gegerbte Rindshaut noch oben für Schuhsohlen, das mag gehen für einen Tag oder zwei. Er holt die Haut, schneidet los.
Dann wirft er das Ledermesser und die Haut hin. Geht ins Haus, legt die Uhr auf einen Karren und karrt sie durchs Dorf vor das Haus von Büttner.
Die Leute stehen vor den Häusern und starren ihm nach. Die Kinder hören mit Spielen auf und starren ihn an.
Am Abend auf dem Dorfplatz spricht er vor dem Kriegerdenkmal die Formel nach, die ihm Büttner vorspricht:
»Ich habe schlecht getan gegen die Bauern in Poseritz, schlecht habe ich getan gegen alle Bauern im Lande.
Das ist mir herzlich leid.
Ich bereue meine Schlechtigkeit, ich sehe meine Sünde ein und will sie wiedergutmachen, ohne Zwang und ohne Bosheit.
Wer meines Nachbarn Feind ist, ist mein Feind. Ich kann nicht mit ihm an einem Tische sitzen,
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