Bauern, Bonzen und Bomben
…«
»Zum Donnerwetter, ich will Zivil tragen!«
Es wird ihm hingehängt.
|134| Frerksen fängt an sich zu rasieren. Dazwischen murrt er: »Am liebsten meldete ich mich krank.«
»Krank! Bist du krank?«
»Wieso soll ich krank sein? Solch ein Unsinn! Krank melden möchte ich mich.«
»Was hast du heute? Hast du dich geärgert, Fritz?«
Frerksen wirft den Rasierapparat hin, schreit: »Frag mich nicht! Ich sage dir, frag mich nicht! Geh raus in deine Küche!« Frau Frerksen geht lautlos ab.
Die Vögel lärmen in den Bäumen, und nun kommt auch noch so ein Aas von Motorradfahrer mit knatterndem Auspuff vorbei. Schade, die Nummer ist nicht zu erkennen. Dem hätte ich es gerne besorgt. – Wäre ich doch erst auf Urlaub!
Am Kaffeetisch wird kein Wort gesprochen. Bub und Mädel, durch die Mutter gewarnt, sitzen lautlos da und sehen nicht von ihren Tellern auf. Die Frau legt dem Mann Semmel auf Semmel gestrichen vor. Er ißt gedankenlos, den Blick zum Fenster hinaus, eine senkrechte Falte auf der Stirn.
Die schüchterne Stimme der Frau: »Möchtest du noch Kaffee?«
»Wie? Ja, natürlich. – Übrigens kannst du mir doch lieber die Uniform hinhängen.«
Die Frau will es sofort tun.
»Nein. Das hat Zeit. Nachher.« – Pause. – »Übrigens, heute geht es schief.«
»Schief …?«
»Ja, schief! Heute setze ich mich zwischen zwei Stühle.«
»Fritz … sag mir doch …«
»Der Bürgermeister will hü, und der Präsident will hott. Wie ich’s mache, mach ich’s falsch.«
»Wo wir doch dem Bürgermeister alles verdanken?«
»Himmelherrgott, dieser verfluchte Weiberklatsch. Diese elende Sentimentalität! Was hat das damit zu tun? Ja, bitte, bitte, nun noch Tränen. Statt, daß man eine Hilfe hat …« Und plötzlich: »Kinder, in die Schule, macht, daß ihr fortkommt!« |135| Als sie allein sind: »Verzeih mir doch, Anna, verzeih! Meine Nerven, du weißt. Und heute, wenn die Bauern kommen … Und ich soll womöglich mit dem Säbel oder der Pistole … Die haben mich doch so gedrängt von der Regierung. Ich habe davon geträumt. So was kann ich doch nicht. Nein, du hast natürlich recht. Ich tue, was Gareis will. Ich kann gar nicht anders.«
3
Das Zimmer des Oberpräsidenten ist halbdunkel und kühl, wie immer. Es gibt keine Welt außer dieser, der dunklen Bücherschränke, der schalldämpfenden Teppiche, der schwarzbraunen Eichenmöbel.
Assessor Meier hat eben die Reinmacheweiber hinausgejagt. Schon kommt Temborius, es ist noch nicht acht.
»Wo bleibt denn der Tunk?«
»Muß sofort kommen. Es ist noch nicht ganz acht.«
»Es ist acht. Meine Uhr ist acht. – Was haben die Landräte gemeldet?«
»In allen Kreisen gestern Versammlungen. Viel junge Burschen auf schwarzen Pferden in schwarzer Kleidung mit schwarzen Trauerflören unterwegs, die zum Landthing in Altholm aufriefen.«
»Diese Versammlungsfreiheit für Staatsverbrecher ist ein Wahnsinn. Ich muß mit dem Minister sprechen.«
Meier verbeugt sich.
»Nun, berichten Sie schon! Was sonst? Hat der Brief in der ›Volkszeitung‹ nicht gewirkt?«
»Die Bauern lesen nicht die ›Volkszeitung‹. Und wenn sie sie lesen, sagen sie, es ist alles erlogen.«
»Woher stammt er?«
»Von Gareis.«
»Von Gareis? Ausgeschlossen!«
»Ich weiß es von Pinkus. Gareis hat ihm den Brief selbst gegeben.«
|136| »Verstehen Sie das? Die Demonstration erlaubt er, und dann hetzt er dagegen?«
»Vielleicht ist ihm doch etwas schwül. Will sorgen, daß sie ihm nicht zu stark wird.«
»Schwül? Das ist ein Bulle, sage ich Ihnen! Siebzehn Landräte aller Parteischattierungen machen mir nicht soviel Sorgen wie dieser Gareis, der mein Parteigenosse ist. Das ist ein Bauernfreund!«
Kriminalkommissar Tunk wird gemeldet.
»Soll reinkommen. – Sie kommen reichlich spät, Herr Tunk. Es ist fünf Minuten nach acht.«
»Die Uhr auf dem Präsidium wird gleich schlagen.«
»Es ist fünf Minuten nach acht.«
Die Uhr auf dem Präsidium schlägt.
»Herr Assessor, sagen Sie dem Hausmeister, daß er die Uhr richtig stellt. Eine schöne Bummelei reißt da ein. Ja, bitte sofort … Herr Kommissar, Sie kennen Ihren Auftrag?«
»Zu Befehl, Herr Präsident. Ich habe mit dem Neunuhrzuge nach Altholm zu fahren und die Bauern zu beobachten.«
»Beobachten …! Sie mischen sich unter die Bauern. Machen sich bekannt mit den Führern. Erfahren ihre Namen. Merken sich ihre Reden. Man kann das. Jawohl, man kann das, man kann immer unauffällig mal rausgehen, um sich Notizen zu
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