Bauern, Bonzen und Bomben
›Chronik‹ lesen. – Nein, das ist nicht gegen die Abmachung. Weil Sie uns die Bekanntmachungen geben, ist die ganze Stadtverwaltung bis zur letzten Scheuerfrau noch lange nicht sakrosankt. – Nein, ich komme nicht zur Pressebesprechung. Ich habe keine Zeit, Herr Bürgermeister, ich muß meine Zeitung fertigmachen, die Setzer |249| warten. – Guten Morgen, Herr Bürgermeister. Ja, gerne in drei Stunden. Nein, jetzt geht es nicht. Guten Morgen.«
Prustend steht Stuff auf. Schnaufend breitet er die Arme. »O Gott, dies dicke, tranige Öl, dies Schmalz, das mich sanft machen will. Aber ich habe es ihm gegeben, was? Tredup? So hat die ›Chronik‹ noch nicht mit dem Bürgermeister Gareis gesprochen. Ich sage dir, in der Halle hat er gestern gestanden wie Luther in Worms und hat die blauen Affen von der Schupo auf die Bauern dreschen lassen!«
Schüchtern bemerkt Tredup: »Aber Gareis ist doch nicht schlecht. Wenn Frerksen Mist gemacht hat und er deckt ihn, ist das doch nur anständig.«
Stuff explodiert: »Gareis und anständig! Politik ist das, weil die Roten zusammenhalten, wenn es gegen die Bauern geht. Der, dich hat er auch eingewickelt, du sollst einmal sehen, wenn du was von ihm erreichen willst, wie fein er dich im Stich läßt.«
»Hat er schon.«
Stuff triumphiert: »Siehst du! Siehst du! … Nein, wer da … Halt, was ist das …?«
4
An den Fenstern tobten zweie vorbei, irgendwelche wildbewegte Gestalten, und waren doch schon weg, als Stuff und Tredup die Fenster aufhatten.
»Wer war denn das?« murmelt Stuff.
Im Vorraum entsteht Bewegung, Lärm. Holz schlägt gegen Holz, Stühle fallen um, die Heinze hört man sanft kreischen, ein Gebrüll ertönt – und durch die geöffnete Tür reiten auf Stühlen zwei Herren.
Voran Landwirtschaftsrat Feinbube. Auf den Stock gespießt, trägt er einen Jägerhut mit Gamsbart, hoch erhoben als Panier. Hinter ihm huppelt auf dem Kinderroß der Syndikus Plosch aus dem Kreishandwerkerbund, die Schmisse alkoholisch rot glühend.
|250| Feinbube gibt seinem Roß einen Tritt, daß es krachend umstürzt. Mit ausgebreiteten Armen stolpert er auf Stuff zu.
»Komm her, Stuff, du dickes Schwein, komm in meine Arme. Nun ist die Stunde gekommen, da du alle deine Sünden wiedergutmachen kannst. Tritt ein in die grüne Front. Gib es den Roten … Komm!«
»Man muß«, sagt der mindestens ebenso besoffene Plosch, »unterscheiden zwischen dem Menschen Stuff, den wir lieben, und dem Journalisten, der ein Schwein ist. – Du bist eines, widersprich nicht, ein Riesenschwein bist du. Ich war selber mal Journalist.«
»Wir sind geschlagen«, triumphiert Feinbube. »Die Roten haben uns tomatscht. Aber wir feiern es als Sieg. Der Frerksen …«
»Auch Frerksen ist ein Schwein«, erklärt Plosch. »Ein Riesenschwein.«
»Frerksen hat alles angerührt«, bestätigt Stuff. »Aber wißt ihr schon die Sache mit seinem Säbel?«
»Der Säbel«, doziert Feinbube mit schwerer Zunge, »steht dem Frerksen wie dem Juden das Schwert.«
»Ach Kinder«, jauchzt Stuff, »ihr wißt ja noch gar nichts. Seinen Säbel haben ihm die Bauern geklaut vorm Tucher. Und dann hat er die leere Scheide in den Laden von Bimm geschmissen. Und dann hat ihm plötzlich der Matthies von der KPD den Säbel nachgebracht. Da stand er nun mit der blanken Waffe …«
»Es war«, erklärt Plosch mit schwerer Zunge, »überhaupt Wahnsinn, mit dem Säbel auf die Leute loszugehen. Wo nimmt die Polizei denn Säbel? Wozu hat sie denn Gummiknüttel? Schreib das auf, Stuff.«
»Hab ich schon. Wartet, ich werde euch vorlesen.«
»Nicht vorlesen, so trocken. Hast du keinen Kognak hier? Wir haben die ganze Nacht mit Padberg gesüffelt, du hast gefehlt, Stuff, du weißt immer noch die dreckigsten Witze. Wie war der mit der Hose und der Köchin?«
|251| »Nein, wartet. Ich lese euch vor. Ihr sollt sehen, wie ich es dem Gareis gebe.«
»Ach scheiß, Gareis, gib’s dem Frerksen!«
»Dem auch. Hört doch endlich mal!«
»Weißt du schon, daß wir unser Reitturnier in Altholm absagen wollen? Die Bauern werden sich hüten, wieder in euern Brezelladen zu kommen.«
»Bis dahin ist noch lang. Hört lieber, was ich geschrieben habe.«
»Was du schon schreibst! Du verrätst uns ja doch wieder. Als Schwein bist du geboren, Stuff, als Schwein lebst du, als Schwein wirst du krepieren. Wo ist der amtliche Bericht?«
»Noch nicht da. Aber in der Viehhalle …«
»War ich selber. Davon kann ich dir erzählen. Da war ein Bruder
Weitere Kostenlose Bücher