Bauern, Bonzen und Bomben
keins.«
»Womit willst du denn die Frau bezahlen? Die verlangt sicher fünfzig oder hundert Mark.«
»Fünfundzwanzig.«
»Und woher willst du die nehmen?«
»Die pumpe ich mir.«
»Wer dir schon fünfundzwanzig Mark pumpt! Keiner!«
»Doch.
Die
bekomme ich gepumpt.«
»Von wem denn? Ich möchte bloß mal wissen, von wem denn?«
»Na, zum Beispiel Stuff würde sie mir sicher pumpen.«
»So, Stuff. Ausgerechnet der dicke Stuff!«
»Jawohl, Stuff. Ausgerechnet Stuff.«
»Dann hat Stuff dir wohl auch von der Frau erzählt?«
»Gar nicht hat er! Ganz jemand anders hat es mir gesagt.«
»Wer denn?«
»Stuff nicht.«
»Ich habe es doch immer gedacht«, sagt Frau Tredup, »daß die Henni, mit der Stuff ging, dick war. Und mit einem Male war sie schlank wie ’ne Tanne.«
»Ihr Weiber bildet euch immer so ’ne Sachen ein.«
»Dann muß Stuff dir aber mindestens hundert Mark geben, sonst kann er böse reinfallen.«
»Ich sage dir doch«, schreit Tredup, »Stuff war es nicht. Verrückt bist du, verrückt, verrückt! Immer willst du Geld haben. Erst tausend Mark, nun hundert Mark. Das geht in einer Tour: Geld! Geld!«
|242| »Ja, du hast gut schreien, daß die Kinder wach werden. Dir hängen sie nicht an der Schürze und plärren Hunger. Und Fräulein Lange hat mir auch sagen lassen, ich darf die Grete nicht mehr ohne Schlüpfer in die Schule schicken. Die Jungen gucken danach. Gib mir Geld für Schlüpfer.«
»Ja, ja, Geld, Geld, Geld. Ein Schwein werde ich noch. Ich werde Geld aus dem Geldschrank nehmen. Ich werde einem sein Geld klauen, wenn er besoffen ist. Ich werde die Grete zum Manzow in der Calvinstraße schicken, der regt sich an kleinen Kindern auf. Ich …«
Es war kein harter Schlag, der ihn traf.
»Geh! Geh!« schreit sie wild. »Geh ins Geschäft, geh auf die Straße, geh hier weg! Hat tausend Mark und redet Schweinereien über seine Tochter, bloß daß er das Geld für sich behält. Geh!«
Tredup steht in der Ecke. Er starrt zu der Frau hinüber, die im Bett aufrecht sitzt und ihn rasch atmend ansieht. Er steht da in seinem kurzen Hemd, unter dem die behaarten, dürren Beine hervorstarren, und wischt sich gedankenverloren die Stelle im Gesicht, die die Hand der Frau traf.
Plötzlich lächelt er. »Das war«, sagt er, »wie da, als sie mich im Kittchen die Treppe hinunterschmissen. Auch bei dir bin ich die Treppe runtergefallen.«
»Wovon redest du?« fragt sie.
»Nichts. Und jetzt koch Kaffee. Oder Tee. Oder Mehlsuppe. Was du eben hast. Ich will um sechs in der ›Chronik‹ sein.«
»Ja«, sagt sie gehorsam. »Die Wandler wird auf sein, die pumpt mir schon ein Lot Kaffee.«
2
In seinem Arbeitszimmer sitzt früh um halb sieben der Chefredakteur der »Nachrichten«, Heinsius, der vaterstädtische Mann, Verfasser einiger Romane über das bodenständig hinterpommersche Bauerngeschlecht.
|243| Er sitzt da und schreibt.
Er schreibt wirklich. Er hat die ganze Nacht nicht geschlafen, seit ihm klargeworden ist, daß er etwas wird schreiben müssen, daß die »Nachrichten« Stellung zu nehmen haben.
Gestern abend, als der Blöcker aufgeregt faselte, vom Bauernkampf, wildem Dreinschlagen der Polizei, tollen Vorgängen in der Viehhalle, von Polizeiknüppel schwingenden Schupos, unwürdig behandelten Bauern, einem größenwahnsinnig gewordenen Polizeityrannen – gestern abend hat er gelächelt und gesprochen: »Sie überschätzen das, Blöcker. Zusammenstöße bei Umzügen – jeden Tag zehn. Das geschieht heute und ist morgen vergessen. Eine lokale Notiz, der amtliche Bericht, meinethalben ein Stimmungsbild von, sagen wir, dreißig Zeilen, das ist alles.«
»Aber die Leute sind wild.«
»Welche Leute? Die Bauern? Was gehen uns die Bauern an! Die Bürger? Die doch nicht! Die doch ganz sicher nicht! Die freuen sich höchstens, daß sie mal was zu sehen gekriegt haben.«
»Die Bürger
sind
bös.«
»Gehen Sie, Blöcker, gehen Sie. Ich bringe Heute die Erinnerungen einer Tänzerin, wie sie vor dem Prinzen von Wales getanzt hat. Das interessiert die Leute. Aber was hier in Altholm vorgeht? Ist hier schon je was für die erste Seite passiert? Sie überschätzen es, Blöcker.«
Das war gestern abend gewesen, dann kamen Telefongespräche.
Der Scherenredakteur Heinsius geht kaum aus dem Haus. Immer läßt er sich vertreten. Er ist der Stille in der Zelle, der geheimnisvoll Verborgene, den man nicht erraten kann. Ein Lokalreporter muß publik sein, ein Chefredakteur ist der Schrein im
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