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Bauern, Bonzen und Bomben

Titel: Bauern, Bonzen und Bomben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Allerheiligsten.
    Die Leute haben sich daran gewöhnt, den Schrein anzurufen. Er ist dann da, eine Stimme, die karg antwortet, nichts verspricht, ausweicht.
    |244| »Unsere Entschließungen sind noch nicht spruchreif. Das Interesse unserer Vaterstadt gebietet …«
    Die Leute riefen an. Die erste …
    Es war eine erste, ein Fräulein, eine gehaltene Person in Silberhaar, er kannte sie. Nun, selten hatte Heinsius eine so empörte Stimme am Telefon gehört.
    »Sie haben gewütet, sage ich Ihnen! Sie haben losgeschlagen wie die Wilden mit ihren blanken Säbeln auf flehend erhobene Hände.«
    »Waren die Hände nicht vielleicht zum Schlagen erhoben? Entschuldigen Sie, Fräulein Herbert, die ungeheure Verantwortung, die auf uns lastet, gebietet uns, erst zu wägen. Sorgfältig.«
    »Unsinn! Ich sage Ihnen, ich bin vom Balkon in mein Zimmer gelaufen. Ich mußte mich erbrechen.«
    »Gewiß. Gewiß. Die labilere weibliche Psyche. Es macht Ihnen Ehre. Übrigens sind wir auch schon orientiert. Einige unserer Herren haben Ähnliches beobachtet.«
    Mehr Anrufe folgten. Aber: Soll ich mich mit der Polizei anlegen? Wenn man wüßte, was Stolpe denkt. Ach was, es bleibt bei dem amtlichen Bericht und einer lokalen Notiz.
    Dann kam – Heinsius war schon nach Haus gegangen – in seiner Wohnung der telefonische Anruf des Chefs, Gebhardts: »Was machen wir?«
    »Ausgleichen. Hinhalten. Bis die Machtverhältnisse klar sind.«
    »Ich habe ein Dutzend Leute gesprochen …«
    »Die Leute wissen erst, was geschehen ist, wenn sie es bei uns lesen. Bis dahin ist nichts geschehen.«
    »Und was ist morgen bei uns geschehen? Wir dürfen es nicht mit Gareis verderben.«
    »Nein? Nun gut. Ich werde etwas schreiben. Ich lege es ihnen vor. Um acht.«
    Er hat es gesagt, er hat die Schwierigkeiten gelöst, der Chef ist beruhigt. Öl auf den Wellen.
    Nun lag er die Nacht schlaflos. Schrieb. Schrieb …
    |245| Krieg und Friede. Friede ist besser als Krieg. Das Symbol, die Sense, dräuendes Zeichen, wenn sie grade geschmiedet gen Himmel weist. Man biege ihr Gelenk, wieder weist sie zur Erde, friedlicher Arbeit Symbol.
    Die schwarze Fahne. Seeräuberzeichen. Kampf und Sieg der Gewalt. Und doch wieder aus der Nacht, dem Dunkel wird alles geboren. Der weiße Pflug pflügt die schwarze Erde – friedlicher Arbeit Symbol.
    Das rote Schwert lasse ich besser fort.
    Noch etwas über die erregte Zeit, die Not des Landes, die politische Zerrissenheit – wen trifft es? Keinen. So geht es. Anderthalb Spalten mache ich daraus, einen Leitartikel, und ich zeichne ihn selbst.
    Drei Stunden später, immer noch in der Nacht, immer neue pathetische Sätze formulierend: Oder zeichne ich ihn nicht selbst? Kompromittiert er mich vielleicht doch?
    Am besten warte ich die Stettiner Morgenblätter ab. Dann weiß ich eher Bescheid.
    Nun sitzt er und schreibt. Zwischendurch horcht er auf den Flur. Er kennt den leichtfüßigen, raschen Gang des Chefs. Unbedingt muß er heute zuerst hin, ehe ihm dieser Fuchs, der Prokurist Trautmann, die Ohren vollbläst.
    Die Morgenzeitungen haben auch keine Erlösung gebracht. Die Regierung schweigt. Die Rechtsblätter sprechen von Polizeiterror. Die Demokraten warten ab. Die SPD lobt die Polizei.
    Abwarten. Die Symbole friedlicher Arbeit …
    Der Chef kommt.
    »Guten Morgen, Herr Gebhardt! Guten Morgen! Ein strahlender Tag. Zu strahlend vielleicht für die Landwirtschaft, die notwendig Regen brauchte. Andererseits unsere Städter: Zwei Schulen machen heute ihren Ausflug.
    Sie sehen herrlich ausgeruht aus, Herr Gebhardt. Ich selbst habe die ganze Nacht … Nun, das ist mein Beruf, ein schwerer, aufreibender, zermürbender Beruf. Ich habe da etwas geschrieben. Eine Spalte. Wenn Sie Zeit hätten …«
    »Lesen Sie schon vor …«
    |246| »Ich habe es betitelt: Schwarze Fahne – Schwarzer Tag.«
    »Könnte das nicht als Angriff gegen die Bauern aufgefaßt werden?«
    »Verstehen Sie es so? Das hatte ich nicht beabsichtigt! Ich werde … Also sagen wir: Schwarzer Tag, das trifft immer die andere Partei.«
    »Recht so«, lobt der Chef. »Und nun weiter!«
    Heinsius liest vor, ballt die Fäuste, hebt den Blick gen Himmel, schüttelt das Papier.
    Plötzlich unterbricht ihn der Chef: »Wir haben da eine kleine Anzeige vom Huthaus Mingel, die ich möglichst auf die erste Seite bringen möchte. Ein entzückendes Klischee. Sehen Sie, ein junges Mädchen vor dem Spiegel, das einen neuen Hut aufprobiert. Ganz dezent. Es stört doch nicht, wenn wir es

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