Bauernjagd
zu
besprechen, sich auf dem Laufenden zu halten und Pläne zu schmieden. Sie
brauchten Zeit, um sich wieder näherzukommen, nach all den Monaten, die sie mit
ihrer Arbeit zugebracht hatten. Doch daraus wurde jetzt wohl nichts.
Die Tür zum Gruppenraum öffnete sich, und der Streifenbeamte kehrte
mit einer Kanne Kaffee zurück.
»Der müsste besser schmecken als der letzte«, sagte er und stellte
ihn auf den Tisch. »Den hab ich jetzt selber gemacht.«
Hambrock lächelte. »Es gibt also doch noch was Erfreuliches heute«,
sagte er und goss sich eine Tasse ein.
Der Kaffee war tatsächlich gut. Er seufzte.
»Und wie geht’s jetzt weiter?«, fragte der Beamte.
»In einer guten Stunde haben wir eine Besprechung. Dafür würde ich
gerne diesen Raum hier haben, wenn das geht. Der Staatsanwalt müsste dann auch
eingetroffen sein.«
»Der Raum ist frei, kein Problem.«
Hambrocks Kollegen waren allesamt unterwegs, um Nachbarn und Freunde
des Mordopfers zu befragen. Es handelte sich bei der Toten um eine
vierzigjährige Frau, die mit ihrem Mann auf einem heruntergewirtschafteten Gehöft
nahe der Stadtgrenze wohnte. Am Vormittag wollte ihre Nachbarin einen Brief
vorbeibringen, den der Postbote falsch eingeworfen hatte. Sie fand die Frau mit
einem Beil im Kopf in ihrer Küche liegen. Die schmutzigen Bodenfliesen waren
voller Blut gewesen, die Wohnungseinrichtung demoliert, und überall hatten
leere Wodkaflaschen herumgelegen. Vom Ehemann fehlte jede Spur.
Soweit sie den Ablauf der Tat rekonstruieren konnten, musste der
Täter während der Nacht zugeschlagen haben. Zunächst hatte er sich an der Wohnungseinrichtung
ausgelassen, danach war er mit dem Beil auf das Opfer losgegangen. Dringend
tatverdächtig war der verschwundene Ehemann. Die Polizei hatte ihn schon einmal
wegen häuslicher Gewalt in Gewahrsam genommen. Er war Trinker, genau wie seine
Frau. Bei den beiden waren häufig die Fetzen geflogen. Gut denkbar, dass er im
Suff die Kontrolle verloren hatte. So etwas hatte Hambrock schon häufig erlebt:
Nach dem Gewaltrausch kommt der Mann wieder zu sich, ist entsetzt über seine
Tat und flieht.
Sein Handy ertönte. Mit einem Blick aufs Display sah er, dass es
seine Mutter war. Sie rief ihn schon zum zweiten Mal an diesem Tag an. Ein paar
Stunden zuvor, als sein Handy am Tatort losgegangen war, hatte er sie einfach
weggedrückt.
»Entschuldigen Sie mich«, sagte er zu dem Beamten, stand auf und
trat mit dem Handy auf den Parkplatz.
»Bernhard, ich hoffe, ich störe dich nicht. Ich hätte auch nicht
angerufen, wenn ich es nicht fest versprochen hätte.«
»Nein, du störst nicht. Was gibt es denn?«
Er hörte das leise Surren der Dunstabzugshaube. Seine Mutter kochte
gerade das Mittagessen. Unwillkürlich fragte er sich, was bei ihr auf den Tisch
kommen würde. Für ihn würde es heute wohl nicht einmal fades Kantinenessen
geben. »Es ist doch nichts passiert?«, hakte er nach.
»Nein, nicht direkt. Ich habe heute Morgen mit Ada Horstkemper
telefoniert. Sie war sehr aufgebracht wegen dieser Sache in Erlenbrook-Kapelle.
Aber das kannst du dir sicherlich denken. So eine schreckliche Geschichte
passiert ja nicht jeden Tag.«
Hambrock hörte nur noch mit halbem Ohr zu. Horstkemper aus
Erlenbrook-Kapelle. Der Name klang vertraut, er versuchte ihn einzuordnen.
»Horstkemper – sind das nicht Verwandte von uns?«
Seine Mutter klang überrascht. »Erinnerst du dich nicht mehr an
deine Großtante Emma Horstkemper, die Patentante von deinem Vater?«
»Tante Emma, natürlich.«
Diese bösartige alte Frau im Rollstuhl, die nach Krankheit und Tod
gerochen hatte. Hambrock sah sie wieder vor sich, die dünne knochige Gestalt,
die nur Plattdeutsch gesprochen hatte und halb taub gewesen war. Dazu die
quälend langweiligen Sonntagnachmittage auf diesem düsteren Hof in
Erlenbrook-Kapelle, wo es weit und breit keine Kinder in seinem Alter gegeben
hatte. Etwa zwölf Jahre alt war er gewesen, als die alte Frau gestorben war,
und danach hatte er den Hof in Erlenbrook-Kapelle niemals wiedergesehen.
»Ada ist eine von Emmas Töchtern«, erklärte seine Mutter. »Sie hat
den Hof übernommen, nachdem Emmas ältester Sohn Anfang der Neunziger bei einem
Verkehrsunfall umgekommen ist.«
Er hörte, wie sie die Dunstabzugshaube abstellte. Das Essen war also
fertig. Er spürte seinen leeren Magen.
»Es geht um diesen Anschlag auf den Maishäcksler«, fuhr sie fort.
»In der Bauernschaft sind alle ganz aus dem Häuschen
Weitere Kostenlose Bücher