Bauernjagd
verändert hatte.
Tante Ada führte ihn ins Haus. Sie hatte in der Küche das Abendessen
vorbereitet, einen Teller mit liebevoll dekorierten Käseschnittchen und eine
Kanne schwarzen Tee. Auf dem Tisch standen nur zwei Gedecke.
»Sind wir allein?«, fragte er.
»Die anderen sind im Kuhstall. Bis auf Sophia, die ist bei ihrem
Kartenklub. Setz dich doch.«
Tante Ada hatte dafür gesorgt, dass sie mit ihm allein war. Sie
wollte nicht, dass die anderen zuhörten, wenn sie über den Sabotageakt auf dem
Maisfeld sprach.
Er setzte sich und betrachtete sie. »Mutter hat mich gebeten, dir
diesen Besuch abzustatten. Sie hat dir bestimmt schon gesagt, dass ich mit dem
Fall nichts zu tun habe. Die Kreispolizei Steinfurt ermittelt in der Sache.
Vielleicht wäre es besser, wenn du mit diesen Leuten sprichst.«
»Die würden mir ohnehin nicht zuhören. Sie würden mich für eine
überspannte alte Frau halten.«
»Soweit ich weiß, sind sie auf Hinweise dringend angewiesen. Ihnen
fehlt nämlich jede Spur.«
Die Fingerabdrücke, die an den Stahlschrauben und auf dem
Isolierband gesichert wurden, waren nicht im System vorhanden, was bedeutete,
dass der Täter oder die Täterin nicht vorbestraft war. Vor ein paar Jahren
hatte es schon einmal eine Reihe von Anschlägen dieser Art gegeben. Damals
hatte ein alter Bauer dahintergesteckt, der die Landmaschinenbesitzer schädigen
wollte. Es waren zähe und langwierige Ermittlungen gewesen, und die Kollegen
hatten nun Angst, dass dies der Auftakt einer weiteren solchen Serie sein
könnte.
Hambrock nahm sich ein Käseschnittchen.
»Also gut«, sagte er. »Dann lass mal hören.«
»Die Sache mit dem Maishäcksler hat uns alle ziemlich aus der Fassung
gebracht.« Sie sah ihn finster an. »Aber das war nicht das einzige Unglück hier
in der Bauernschaft.«
»Was meinst du damit?«
»Einer unserer Nachbarn ist ums Leben gekommen. Ewald Tönnes. Das
ist noch keine drei Monate her. Sein Hof liegt ein Stück weiter oben an der
Straße. Schweinemast – vielleicht kennst du ihn?«
Er schüttelte den Kopf. »Was ist passiert?«
»Er ist in seiner Güllegrube erstickt. Angeblich an der Betonkante
abgerutscht, während er den Abfluss überwacht hat. Das war jedenfalls der
Schluss, zu dem die Polizei gekommen ist. Die haben hier ein paar Tage rumgeschnüffelt,
aber wenn du mich fragst, waren die nicht besonders gründlich.«
Hambrock kannte genügend Gruselmärchen über die Gefährlichkeit von
Güllegruben. Früher waren tatsächlich schlimme Dinge passiert. Mehrere
Familienmitglieder waren mit einem Schlag ausgelöscht worden – irgendeiner
stieg hinein und wurde ohnmächtig, die anderen, die ihn herausziehen wollten,
kletterten nacheinander hinterher und fanden allesamt den Tod. Heutzutage waren
die Anlagen moderner, und man ging generell viel vorsichtiger mit der Gefahr
um.
»Ich weiß genau, was du denkst«, sagte Tante Ada. »So ein Unfall
kommt halt vor. Trotzdem, Bernhard. Er könnte auch hineingestoßen worden sein.«
»Und hast du eine Idee, von wem?«
Sie hob hilflos die Schultern. »Nein. Es waren an dem Tag ja alle
auf dem Schützenfest. Und was den Anschlag betrifft, weiß ich natürlich, was
die Leute sagen: ein Sabotageakt, wie bei dieser Anschlagsserie vor ein paar
Jahren, bei der ein halbes Dutzend Häcksler schwer beschädigt wurden. Aber ich
sehe das anders.« Sie ballte die Hände zu Fäusten. »Das kann kein Zufall sein,
Bernhard. Ich sage dir, hier geschieht etwas!«
Hambrock runzelte die Stirn. Die Leidenschaft, mit der sie sprach,
erstaunte ihn.
»Also gut. Du denkst, dass der Tod dieses Bauern mit dem Anschlag
auf dem Maisfeld zusammenhängt.«
Sie nickte. Hambrock betrachtete sie nachdenklich.
»Hast du denn irgendjemanden im Verdacht?«, fragte er dann.
»Du gütiger Gott, nein. Der Täter muss von außerhalb kommen. Jemand,
der nichts mit uns hier zu tun hat.«
»Gibt es denn jemanden, der es auf Clemens Röttger abgesehen haben
könnte?«
»Nein! Das ist es ja! Es ging gar nicht um Clemens! Der Anschlag
galt Marita!«
»Wem?«
»Marita. Unserer Marita. Deiner Cousine, du kennst sie von früher.
Sophias älteste Tochter.«
Hambrock hätte nicht einmal sagen können, wie viele Kinder damals
auf dem Hof herumgewuselt waren. Kleinkinder und Säuglinge eben.
»Normalerweise hätte Clemens Röttger den Häcksler gar nicht
gefahren«, fuhr Ada fort. »Du musst wissen, Marita und Clemens teilen sich die
Arbeit auf den Feldern. Sie fahren in wechselnden
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