Bauernopfer: Lichthaus' zweiter Fall (German Edition)
kehrte zurück, setzte sich wortlos in den BMW und fuhr weg.
*
Er saß in der warmen Sonne und sah Claudia zu, wie sie ihre Plastiken polierte. Sie waren gemeinsam in Speicher gewesen und hatten zusehen dürfen, wie die Formen gegossen wurden. Wie nicht anders zu erwarten war, hatte seine Frau anschließend darauf bestanden, die Objekte in ihrem Schamottbett mitzunehmen und hier vor Ort weiterzubearbeiten. Eine Herkulesaufgabe. Zuerst musste er den harten Panzer abschlagen und die Figuren befreien, bevor sie dann die Einfüllstutzen und den Einfülltrichter abfräste, mit ihrem eigenen Schweißgerät vorsichtig die Ansatzstellen zuschweißte, die Nähte begradigte und nun mit allerlei Bürsten und Pasten dabei war, die Arbeit abzuschließen. Im Augenblick stand die große Plastik, die er insgeheim Otto nannte, auf dem Tisch. Claudia war ungemein geschickt, polierte an manchen Stellen ein wenig mehr, an anderen fast überhaupt nicht und arbeitete so einen Ausdruck heraus, den eine einheitliche Bearbeitung nie hergegeben hätte. Er selbst hatte sich eine kleine Skulptur fürs Büro erbeten, die er anstelle der Kugeln in den Händen halten wollte, wenn er konzentriert nachdachte.
Sie lächelte zu ihm hinüber. »Liegst du gut?«
Er drehte das Gesicht in die Sonne und wälzte sich auf dem Liegestuhl umher. »Ja.«
Henriette saß mit einer Freundin im Sandkasten und spielte.
»Ich dachte, du könntest uns einen Kaffee kochen?«
Er stöhnte und raffte sich auf. »Fünf Minuten Ruhe. Wow.«
Als in der Küche die Maschine vorheizte, klingelte das Telefon, und ihm sträubten sich die Nackenhaare, doch es war nicht das Präsidium, sondern Julia Bergner, die sich für die Informationen bedankte. Lichthaus grinste. Sie hatten sie wie versprochen vor der übrigen Presse informiert, und es war der jungen Frau gelungen, als Erste eine detaillierte Story zu bringen, die viel Beachtung fand. Sie plauschten kurz, dann legte er auf und ging mit dem Kaffee nach draußen.
Der Fall brauste durch den Zeitungswald. Vor allem der Fleischskandal schlug letztendlich Wellen bis nach Brüssel, nachdem das Bundeskriminalamt den Schieberring um die Familie Tatari ausgehoben hatte, der illegal tonnenweise billiges und überlagertes Rindfleisch aus dem Osten importiert beziehungsweise reimportiert und als hochwertiges Biofleisch verkauft hatte. Nach und nach kam die ganze Wahrheit ans Licht. Die Mafia hatte die Idee Kaisers perfektioniert und nicht nur auf Deutschland beschränkt. In Italien, England und Frankreich wurden vergleichbare Konstruktionen aufgedeckt. Experten schätzten die Gewinne auf eine dreistellige Millionensumme. Im Bundesamt für Landwirtschaft und Ernährung bewirkten die Ergebnisse eine Reihe von Entlassungen, und wie üblich berief man einen Arbeitskreis, der die Problembereiche ausleuchten und beheben sollte. Molitor wurde medial hingerichtet, vor laufenden Kameras festgenommen und zum Sündenbock des Ministeriums gemacht, das sich so jeder Verantwortung entzog. Er hatte Glück, nicht sofort in Untersuchungshaft zu landen. Schon nach wenigen Tagen spie die Politik Aktionspläne mit einer langen Liste von Punkten aus, die unbedingt europaweit zu erledigen seien, aber Lichthaus wusste aus Erfahrung, dass das meiste im Sande verlaufen würde.
Er setzte sich wieder, schlürfte vorsichtig den heißen Kaffee und hing seinen Gedanken nach. Bläske war schnell vergessen. Die Zeitungen hatten ihn als Psychopathen stilisiert, der er schließlich auch gewesen war, doch niemand hatte hinter die Fassade gesehen. Die Öffentlichkeit hatte lediglich seinen Tod beklatscht und war dann weitergegangen. Die Leidensgeschichte seiner Frau, den Dioxinverdacht und das politische Mauscheln hatte er in nur zwei dürren Zeilen in Julia Bergners Bericht finden können.
Er schloss die Augen und sah das Rot der Sonne seine Lider erhellen. Langsam döste er ein, und die Ermittlungen liefen wieder vor ihm ab, bis er sich wieder in Bläskes Haus befand und seine Ängste aus dem Sediment seiner Erinnerungen aufstiegen. Er schrak auf und vergoss Kaffee. Ein tiefer Atemzug, dann stand er auf und trat zu Claudia. Sie lächelte und lehnte sich an ihn. Zärtlich beugte er sich zu ihr hinunter, vergrub sein Gesicht in ihren Haaren.
»Schön, dass du da bist«, murmelte er und küsste sie sanft in die weiche Beuge zwischen Hals und Schulter.
Epilog
Roland Görgen wurde zu einer langen Haftstrafe verurteilt. Seine Frau trennte sich im darauffolgenden
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