Bauernopfer
Klaus …«, intervenierte Charly an Barsch gewandt. »Es ist bei dem Bichler, dem toten Bauern, einiges unklar. Durchaus möglich, dass sich die Geschichte zu einem Tötungsdelikt entwickelt und …«
»Charly«, unterbrach ihn Barsch, »für mich schaut das wie ein ganz klassischer Suizid aus. Ich schätze, eine Obduktion und ein halber Tag Umfeldermittlungen, dann kommst du drauf, dass der Bauer sich selber erschossen hat und nix weiter vorliegt.«
»Aber ich bin allein und soll das ganze andere Zeug auch noch machen«, protestierte Charly.
»Du bist nicht allein. Die Sandra arbeitet mit dir.« Dabei deutete Barsch generös mit der flachen Hand auf die junge Kollegin am Ende des Tisches, die vor zwei Wochen ihre Ausbildung zum gehobenen Dienst beendet hatte und seitdem beim K1 in Ingolstadt Dienst verrichtete.
»Außerdem kommt ab heute der Kollege Norbert … äh, nein …«, Barsch kramte in den vor ihm liegenden Blättern, »… Helmuth Reithl von der PI zu uns. Er ist abgeordnet und bleibt bis auf Weiteres. Der ist auch bei dir. Über den kannst du nach Lust und Laune verfügen.«
Im selben Moment ging die Tür auf und ein rotwangiger Endvierziger streckte seinen runden, mit dünnen hellblonden Haaren bedeckten Kopf herein: »Moing! Reithl. Ich soll hier vorsingen!«
Barsch schreckte auf und drehte sich zur Tür um. »Dafür haben wir jetzt keine Zeit, Kollege. Die Vorstellung machen wir heute Mittag … oder morgen.« Und wieder nach vorne an seine Mitarbeiter gewandt, schlug er mit der flachen Hand auf den Tisch: »Auf geht’s, Damen und Herren, wir haben keine Zeit zu verlieren. Es ist übrigens mit der Dienststellenleitung abgeklärt, dass die AG bei allem Vorrang hat, Schreibaufträge, Fahrzeuge und so weiter. Gutes Gelingen!« Damit erhob er sich und drückte sich an dem verblüfften Kollegen Reithl vorbei aus der Tür. Alle anderen schossen ebenfalls hoch, räumten hektisch Tassen und Teller in den Spüler und flitzten aus dem Sozialraum. Als Letzter stemmte sich Garn hoch und verließ grußlos das Zimmer.
»Servus, Helmuth. Willkommen bei der Kripo«, begrüßte Charly den Kollegen der Inspektion, der immer noch in der Tür stand und ungläubig den blitzartigen Aufbruch der Kripobeamten verfolgt hatte.
»Das ist die Sandra. Wir drei sind die Affen für die nächsten Wochen.« Nachdem auch Charly und Sandra ihre Tassen in den Geschirrspüler geräumt hatten, machten sie sich zusammen mit Helmuth auf den Weg in Charlys Büro.
Sein Arbeitsplatz war einer von zwei Schreibtischen, die schräg in dem Büro standen und von denen an mehreren Kanten das Furnier abplatzte. Auf Charlys Schreibtisch, der näher an der Tür stand, belegten eine Tastatur und ein Flachbildschirm die linke Seite der Arbeitsfläche. Rechts bildeten einige Schriftstücke einen kleinen Stapel. Seitlich versetzt und näher am Fenster stand der Schreibtisch, an dem bis letzte Woche die hochschwangere Elli Kaiser ihre Fälle bearbeitet hatte. Jetzt war sie im Mutterschutz, und der Schreibtisch völlig leer. Auf einem niedrigeren Tisch in der Ecke dahinter standen Ellis Tastatur und Bildschirm. Zwei Kleiderschränke komplettierten das Mobiliar und damit war der zur Verfügung stehende Platz großteils genutzt. Helmuth setzte sich an den leeren Schreibtisch und Sandra nahm an dem Computertischchen Platz. Charly schloss die Bürotür.
Die 24-jährige Sandra Englberger war Charly von Anfang an sympathisch. Sie hatte ein offenes und ehrliches Wesen und vor allem drückte sie den Altersschnitt im K1 gewaltig nach unten. Bis jetzt war Charly der Benjamin gewesen.
Sandras bernsteinfarbene Augen und die hohen Wangenknochen ließen sie sehr attraktiv aussehen. Sie war sportlich, kleidete sich auch so und trug ihr hellbraunes Haar meist zu einem Pferdeschwanz gebunden. Außerdem lachte sie gern ein ansteckendes Lachen und roch immer frisch nach Pfirsich. Ihr Dialekt verriet die Herkunft aus dem Bayerischen Wald. Da dort jedoch die Planstellen dünn gesät waren und Sandras Oma in Ingolstadt lebte, hatte sie sich um eine Stelle bei der Ingolstädter Kripo beworben. Sie war aufgeschlossen und lernfähig und so saß sie jetzt an dem kleinen Tisch und sah Charly freundlich und neugierig an.
Die Geschichte von Helmuth Reithl hatte erst vor kurzem die Runde gemacht. Helmuth hatte Probleme mit den Bandscheiben und war deshalb bei der Inspektion für längere Zeit ausgefallen. Den Unmut seines Dienststellenleiters hatte er sich dann
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