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Bauernopfer

Bauernopfer

Titel: Bauernopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Peter
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Rasenmähen sah man ihn am Haus oder im Garten nicht viel arbeiten.
    Die Frau hätte bestimmt noch viel Interessantes mitzuteilen gehabt, aber Charly sah auf seine Uhr, rieb sich die Schulter und sagte, sie hätten noch einen Termin in München und müssten jetzt los.
     
    Pünktlich trafen sie am Institut für Rechtsmedizin ein. Sandra war nach Charlys Anweisungen gefahren und sie hatten sich nur zweimal in der Münchener Innenstadt verfranst, was aber bei Fahrten zur Rechtsmedizin durchaus nicht ungewöhnlich war. Die Frauenlobstraße war wie üblich auf beiden Seiten zugeparkt. Auf den zwei reservierten Parkplätzen für Polizei-Einsatzfahrzeuge standen ein Taxi und der Fiat eines Pizzaservices. Um die Ecke fanden sie dann doch noch einen freien Platz und stellten dort den Audi ab.
    Nachdem sie durch einen breiten Torbogen in den Innenhof gelangt waren, betraten sie das Gebäude durch den »Lieferanteneingang«. Hier lieferten die Bestattungsunternehmen aus ganz Südbayern die zu untersuchenden Leichen an. Auch der Mercedes der Ingolstädter Firma stand schon da. Gleich als sie in den weiß – oder vom Zahn der Zeit mittlerweile cremefarben – gekachelten Gang traten, schlug ihnen wie eine Keule der süßliche Geruch von Tod und Verwesung entgegen.
    »Warst du eigentlich schon mal bei einer Obduktion?«, fragte Charly.
    Sandra, die schon eine Spur bleicher im Gesicht war, schüttelte den Kopf. »Nur bei der Ausbildung, in einem Hörsaal, ganz oben in der letzten Reihe. Da hat es nicht so gerochen.«
    Charly machte auf dem Absatz kehrt und führte Sandra noch mal zurück in den sonnigen Innenhof. »Entschuldige, da hätt ich vorher dran denken sollen«, sagte Charly. »Eine Obduktion ist für unsereins eine dreifache Belastung. Mental, weil man weiß, dass das ein Mensch ist, der da so zerschnippelt wird. Optisch, weil es wirklich nicht schön ausschaut. Und olfaktorisch, weil der Tod an sich und der Mensch innen drin einfach nicht gut riecht. Optisch ist einfach, da drehst du dich um und schaust woanders hin. Mental kann man nichts ändern, das ist halt so. Und geruchsmäßig haben wir das hier.« Dabei zog er ein kleines braunes Fläschchen aus der Jackentasche.
    »Fichtennadelöl.« Er schraubte die Flasche auf, kippte sich einen Tropfen auf den Zeigefinger und verstrich ihn unter der Nase. »Damit nimmst dem Geruch schon mal den größten Schrecken.« Dann bot er Sandra das Fläschchen an, und auch sie verstrich das Öl auf der Oberlippe.
    »Aber Vorsicht«, warnte er, während er das Fläschchen wieder einsteckte, »wenn du das zu oft machst, kannst irgendwann keinen Waldspaziergang mehr machen, ohne dass in deinem Kopf die Bilder von aufgeschnittenen Leichen herumgeistern. Und wenn’s dir schlecht wird, dann geh einfach raus an die frische Luft.«
    Sandra nickte und tapfer betrat sie mit Charly wieder den Flur. Wie draußen auf der Straße die parkenden Autos, so standen in dem breiten Gang auf beiden Seiten die Rollbahren, auf denen die Leichen lagen, die als nächste drankamen. Alle waren ganz oder teilweise mit weißen Tüchern bedeckt. Durch dieses Spalier aus Toten gingen Charly und Sandra zum Obduktionssaal. Dort arbeiteten mehrere Obduzenten, unterstützt von Gehilfen und beobachtet von Medizinstudenten, an vier Edelstahltischen und fertigten einen Leichnam nach dem anderen ab. Der Raum bestand hier aus einem Gewölbe mit dicken Pfeilern zwischen den einzelnen Tischen. An den Wänden, wo sich zahlreiche Spülbecken und Arbeitsflächen befanden, wechselten sich Fliesen und Edelstahlverkleidungen ab. Unterbrochen wurden die Mauern nur von einigen kleinen Fenstern, die zum Innenhof führten. Lediglich über den Seziertischen brannten helle Lampen, ansonsten wirkte der Raum düster und hätte eine erstklassige Kulisse für einen Horrorfilm abgegeben. Der Geruch im Saal war beinah nicht auszuhalten.
    Sandra bat Charly um einen weiteren Tropfen Fichtennadelöl, während sie zu Tisch Nummer drei gingen, wo Bichlers Leiche gerade von der Bahre auf den Arbeitstisch gewuchtet wurde.
    Auf den Oberschenkel des Leichnams hatte zuvor ein Gehilfe mit blauem Wachsstift in großen Ziffern Größe und Gewicht des toten Körpers geschrieben. ›178/86‹ stand dort.
    »So, dann pack ma’s an«, sagte der verantwortliche Obduzent und klatschte in die Hände. »Sie haben also Zweifel, dass sich der Mann selbst erschossen hat. Versteh’ ich das richtig?«, fragte er Charly, der ihm daraufhin kurz erklärte, wo diese

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