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Bauernopfer

Bauernopfer

Titel: Bauernopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Peter
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Garderobe haben wir noch einen Seidenschal gefunden, der ganz bestimmt nicht diesem einschichtigen Landwirt gehörte.« Er hob ein Blatt hoch, auf dem das Bild eines grünorangefarbenen Damenschals zu sehen war, der in einem durchsichtigen Druckverschlussbeutel steckte.
    Bevor jedoch Charly oder Sandra eine Frage stellen konnten, gebot ihnen Fischer durch eine Handbewegung zu schweigen.
    »Aber jetzt wird’s spannend. Ich hab mir unsere Bilder von gestern noch mal genau angesehen. Und dabei …« Er entnahm dem Ordner ein weiteres Blatt und reichte es Charly. Sandra, die hinter Charly stand, beugte sich über seine Schulter und beide blickten auf eine A4-Vergrößerung, die die Beine des toten Landwirtes mit den Gummistiefeln zeigten, so wie er aufgefunden worden war.
    »Und? Was überseh ich jetzt?«, fragte Charly nach einiger Zeit ratlos.
    »Was seht ihr hinter den Absätzen der Gummistiefel?«
    Charly und Sandra sahen noch mal genauer hin: »Kleine Heubüschel!«
    Charlys Blick hellte sich auf. Aber Sandra schaute immer noch verwirrt drein.
    »Tut mir leid, ich versteh’s nicht.«
    »Vom Füttern ist der Boden in diesem Kuhstall anscheinend immer mit Heu eingedeckt. Diese Büschel unter den Absätzen können nur entstehen, wenn er mit den Absätzen über den Boden schleift und das Heu quasi mit den Absätzen zusammenkratzt«, begann Fischer seine Erklärung und fuhr dabei mit zwei ausgestreckten Fingern über die Tischplatte.
    »Die Beine des Toten waren ausgestreckt, als er gefunden wurde. Es gibt also drei Möglichkeiten. Erstens: Als er schießt, sind die Beine schon ausgestreckt.«
    »Dann hätte sich das Heu nicht unter den Absätzen gesammelt«, sagte Charly.
    »Genau. Zweitens: Als er schießt, sind die Beine angewinkelt. Die Muskelspannung lässt nach und die Beine rutschen nach vorn.«
    »Dann wären die Heubüschel vor den Gummistiefeln.«
    »Ebenfalls richtig. Also dritte Möglichkeit: Nachdem geschossen wurde, wird der Körper nach hinten gezogen und an die Wand gelehnt.«
    »Warum sind keine Schleifspuren da?«, fragte Sandra.
    »Weil der Bauer aus dem Dorf die Kühe gefüttert hat, bevor wir in den Stall kamen. Dabei hat er wieder Heu am Boden verstreut und so die Schleifspuren zugedeckt. Außerdem würde im Fall drei derjenige, der den Körper gezogen hat, die Schleifspuren verwischen.«
    »Und wenn er geschossen hat und dann selbst noch zurückgerutscht ist?«
    »Der Gerichtsmediziner sagt, der Schuss war sofort tödlich«, erinnerte sie Charly.
    »Vielleicht hat ihn der Notarzt zurückgezogen und aufgerichtet?«
    »Die Kornburg fand ihn an die Wand gelehnt. Die Notärztin hat nur seinen Puls gefühlt und ihm in die Augen geleuchtet. Sie hat seine Position nicht verändert.« Es folgte eine kurze Stille, in der man nur die Regentropfen hörte, die gegen die Scheiben schlugen.
    »Und dann legt ihm jemand die Pistole in die Hand, damit wir glauben, es sei ein Selbstmord.«
    Charly sah noch einmal auf das Bild und dann von Sandra zu Fischer.
    »Wir haben es hier mit einem Mord zu tun!«

Dienstag, 14. Oktober
    Es nieselte nur noch, als Charly zur Bushaltestelle stapfte und dabei sehr darauf bedacht war, den rechten Arm nicht im Rhythmus seiner Schritte zu schwingen. Gestern Abend hatte sich Petra natürlich als Erstes erkundigt, was die Schmerzen in seiner Schulter machten.
    »Werd scho’ wieder«, hatte er beschwichtigt und versucht, sich so wenig wie möglich anmerken zu lassen. Heute Morgen konnte er aber weder den Arm belasten noch den Kopf drehen, ohne vor Schmerzen aufzuschreien und nur mit Petras Hilfe war es ihm gelungen, sich aus dem Bett zu schälen und ein Hemd anzuziehen. Wenn er wegen seines aktuellen Falles schon nicht zu Hause bleiben könne, hatte sie erklärt, dann solle er wenigstens versprechen, sich so schnell wie möglich beim Doktor einen Termin geben zu lassen. Die Mitteilung, dass es sich beim Tod des Landwirtes wahrscheinlich um einen Mord handelte, kommentierte sie mit einem lockeren »Den musst ja nicht unbedingt heute aufklären!«.
    An Autofahren war natürlich gar nicht zu denken. Widerwillig hatte sich Charly für den Linienbus um fünf vor sechs entschieden.
    In einer Gischtwolke fuhr der Bus in die Haltestelle ein und als Letzter von fünf Fahrgästen stieg Charly zu. Im vorderen Bereich wäre nur in der Vierergruppe, in der man sich gegenübersitzt, ein Platz frei gewesen. Aber morgens entgegen der Fahrtrichtung zwei Berufsschülern Knie an Knie

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