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Bauernsalat

Bauernsalat

Titel: Bauernsalat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Heinrichs
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immer wieder tun, in der zweiten Reihe parken, meine ich. Glauben Sie mir, ich habe mich nur ein paar Minuten drinnen aufgehalten. Ich war sehr in Eile – das kennen Sie doch sicher.«
    »Ich habe Ihre Daten bereits eingegeben. Ich kann sie nun eh nicht mehr rückgängig machen«, erklärte die Knöllchenfrau und wandte sich inzwischen weiterer Arbeit zu.
    Wie ich dieses Argument haßte! Alles zu spät! Schon eingegeben! Nichts mehr zu machen! Pech gehabt!
    Hätte sie irgend etwas anderes gesagt, über die miese Finanzlage der Stadt, über einen neu eingeführten Fängerbonus für Politessen, ich wäre ihr dankbar gewesen. Aber nicht dieses verdammte Schon-zu-spät-Argument! Angespannt kniff ich meinen Mund zusammen. Jetzt nur nichts sagen. Die Frau machte schließlich ihre Arbeit, wie andere Leute auch. Wahrscheinlich kniffen sich bei mir ähnlich viele Menschen den Mund zu, wenn sie mich sahen. Vielleicht, weil ihr Sohn schon wieder eine Fünf in Deutsch mit nach Hause gebracht hatte, weil ich in Geschichte regelmäßig die Hausaufgaben kontrollierte, weil ich ihre Kinder nachmittags zum Schulhofsäubern bestellt hatte. Es gab ja tausend Gründe, mich zu hassen.
    »Darf ich Ihnen mal eine persönliche Frage stellen?« Ungläubig fuhr ich herum. Die Politesse war ein paar Schritte zu mir zurückgekommen. Ich war verunsichert. Es war noch nie eine Politesse ein paar Schritte zu mir zurückgekommen, um mir eine persönliche Frage zu stellen.
    »Sind Sie zufällig Lehrer?«
    In meinem Kopf fiel eine Klappe. »Nein, ich bin in der Stadtverwaltung tätig«, brummte ich. »Der neue Dezernent für innerstädtischen Verkehr. Und ab morgen wird der Laden aufgeräumt, das kann ich Ihnen aber sagen.«
    Wütend schmiß ich das in Plastikfolie eingeschweißte Knöllchen ins Auto und machte mich davon. Hundert Meter weiter fand ich einen Parkplatz, einen ganz legalen diesmal. Ich erwog, erneut auf einen Parkschein zu verzichten. Schließlich war die Politesse in die andere Richtung abgezogen. Am Ende entschied ich mich dann doch dafür. Allein die Vorstellung, daß sie gegen meine Erwartungen zurückkommen und mir mit unverhohlener Schadenfreude ein zweites Ticket verpassen konnte, hielt mich ab.
    Gedankenverloren schlenderte ich auf die Fußgängerzone zu und überlegte, wie ich Alexa jetzt am besten erreichen konnte. Einen Moment lang hielt ich es für möglich, daß sie zu meiner Wohnung gefahren war und wir uns unglücklich verpaßt hatten. Doch dann wurde mir klar, wie unwahrscheinlich das war. Ich glaubte nicht, daß Alexa nach dieser Sache den ersten Schritt tun würde. Also würde ich mich auf den Weg zur nächsten Telefonzelle machen und von dort aus versuchen, sie telefonisch zu erreichen. Unterwegs schlenderte ich an einem Juweliergeschäft vorbei und betrachtete die Auslagen. Eheringe waren ausgestellt. Heiratete man überhaupt im Herbst? Ich hatte den Eindruck, daß die ganze Welt im Sommer heiratete, so daß zwischen Mai und August die Zeitung überschwemmt war mit originellen ›Wir trauen uns‹ – Anzeigen. Manchmal amüsierte ich mich auch vor den Schaufenstern der Fotogeschäfte, wo in dieser Zeit spaßige Bilder von Hochzeitspaaren hingen. Er in einem Cabrio und sie verkrampft lachend auf der Motorhaube oder beide versonnen unter einer Eiche. Der Herbst war wohl keine gute Jahreszeit zum Heiraten, eher zum Trennen, so daß man dann bis zum Frühling über Rainer Maria Rilkes Klassiker nachdenken konnte.
    Ich löste mich von den Eheringen und kam an einer Eisdiele vorbei, die der aufkommenden Kälte trotzte. Als ich endlich auf eine Telefonzelle zustrebte, raschelten ein paar riesige Ahornblätter unter meinen Füßen. Sie waren so groß wie Klodeckel und sahen wunderschön aus. Ich hob eins auf und nahm es mit in die Telefonzelle. In Alexas Wohnung meldete sich niemand. Auf ihrem Handy hatte ich es nur mit der Box zu tun. Ich sagte Alexas Stimme, daß ich sie gerne sprechen wolle, und legte auf. Als ich die Tür der Telefonzelle wieder öffnete, hätte ich beinahe jemanden umgerannt.
    »Was machst du denn hier?«
    »Alexa! Ich suche dich, und du?«
    »Ich wollte mal eben anrufen. Mein Handy hat keinen Saft mehr.«
    »Wen wolltest du denn sprechen?«
    Als wir uns küßten, kam uns das Ahornblatt in die Quere. Wir küßten uns sozusagen durch das Laub, und irgendwie schmeckte der Kuß ausgesprochen nach Herbst.

6
    Als wir versöhnt und zerwuselt in Alexas Wohnung eine Tasse Kaffee tranken, kamen wir sofort

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