Bauernsalat
siebenundsiebzig war dein Schwager aber wirklich sehr agil«, kam Alexa auf den Toten zurück. »Ich hätte ihn um einiges jünger geschätzt, zumindest, als ich ihn das letzte Mal gesehen habe.«
»Franz war eben ein zäher Bursche. Er hat immer nur gearbeitet, war fast den ganzen Tag draußen. Das hält jung.«
»Immerhin so jung, daß er in sechs Metern Höhe herumklettern konnte«, fügte ich hinzu. Es erschien mir immer wahrscheinlicher, daß eine banale Gleichgewichtsstörung den alten Mann von der Leiter befördert hatte.
»Franz hat den Hof sehr jung übernommen. Sein Vater, mein Schwiegervater, hatte sich gleich zu Beginn des Krieges als Soldat einziehen lassen. Daher mußte der älteste Sohn ran, auch wenn der noch keine zwanzig war.« Elmars Mutter knetete mit aller Macht den klebrigen Teig durch. Es erstaunte mich, wie kräftig sie war. Zwar war sie von ihrer Figur her eher zierlich, aber die tägliche Arbeit mußte sie kräftig und zäh gemacht haben.
»Eigentlich wurden die Bauern zur Versorgung des Landes auf dem Hof gelassen«, führte Elmars Mutter weiter aus, »aber mein Schwiegervater war leider Gottes ein Überzeugter. Er ist freiwillig gegangen, nachdem er hatte vorweisen können, daß für den Hof gesorgt war. Er war sechs Monate an der Front. Dann kam die Todesnachricht. Allerdings weiß ich all das nur aus Erzählungen. Mein späterer Mann Paul war zu der Zeit schließlich erst zehn. Wir lernten uns kennen, als er fünfundzwanzig war.«
»Im Alter von Franz einen Hof zu übernehmen, ist allerdings ein starkes Stück«, murmelte ich, »noch dazu in Kriegszeiten.«
Elmars Mutter kam nicht dazu zu antworten, denn plötzlich öffnete sich die Küchentür und Elmar steckte seinen Kopf herein.
»Ach, ihr seid’s!«, meinte er und kam ganz herein. Sein muskulöser Körper, der unter seinem T-Shirt gut erkennbar war, ließ mich daran denken, daß ich bald mal wieder joggen sollte.
Ohne große Begrüßungsformeln ließ Elmar sich am anderen Ende der Küchenbank nieder. Seine Mutter warf einen liebevoll-besorgten Blick auf ihn. »Soll ich dir ein Spiegelei machen? Du hast doch noch gar nichts gegessen.«
»Ich nehme mir gleich schon was«, grummelte Elmar und fuhr sich mit der Hand durchs Haar.
»Man kann nicht den ganzen Tag arbeiten und dabei nichts essen«, schimpfte seine Mutter, knetete aber weiter.
»Heute war die Polizei nochmal da«, meinte Elmar in Alexas Richtung, »wieder dieser Steinschulte. Ich glaube, er will sich an diesem Fall goldene Lorbeeren verdienen. Dabei hat er außer Frau Wiegands Aussage überhaupt keine Hinweise auf ein Verbrechen.«
Ich erinnerte mich, daß Steinschulte die letzten Male mit seinem Vorgesetzten Hortmann zusammengearbeitet hatte. Es war tatsächlich nicht auszuschließen, daß der junge Kommissar jetzt mal alleine ran durfte und sich beweisen mußte.
»Du hast nun mal ein klassisches Motiv«, sagte Alexa. »Für die Polizei ein gefundenes Fressen. Außerdem hast du kein Alibi. Von deinen Schweinen einmal abgesehen.«
»Ist das mein Problem?« Elmars Augen glänzten plötzlich. Ich fragte mich, ob das Tränen der Angst oder des Zorns waren. Elmars Mutter wusch sich währenddessen den Teig von den Fingern und breitete ein Tuch über der Schüssel aus. Der Hefeteig mußte jetzt gehen.
»Was ist mit Anne?«, wollte Alexa wissen. »Hast du mit ihr sprechen können?«
Elmars Mutter blickte einen Augenblick erstaunt zu Alexa herüber. »Ich geh mich mal umziehen!«, sagte sie und verließ die Küche. Ich hätte wetten können, daß sie einem Gespräch über Anne auswich.
»Was ist nun?« bohrte Alexa weiter. »Hast du mit Anne gesprochen?«
»Nein!«, antwortete Elmar patzig. »Sie ist wie vom Erdboden verschluckt. Das ist ja das Problem. Wahrscheinlich denkt der Steinschulte deshalb, wir beide wären es gewesen. Und während ich hier die Stellung halte, hat Anne sich vorerst aus dem Staub gemacht.«
»Das ist doch absurd!«, meinte Alexa, während ich selbst noch darüber nachdachte, wie absurd das wirklich war.
»Ich nehme an, sie will irgendwo in Ruhe über unsere Beziehung nachdenken«, unterbrach Elmar meine Gedanken. »Ihre Freundin Sabine erzählte, Anne habe erwogen, ein paar Tage allein ans Meer zu fahren.«
»Ohne irgend jemandem Bescheid zu sagen?« Das fand immerhin auch Alexa eigentümlich.
»Vielleicht hat sie ihrer Mutter Bescheid gesagt«, überlegte Elmar laut, »leider ist die zur Zeit in Kur, und ich kann beim besten Willen
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