Bd. 1 - Die dunkle Schwinge
der es auf sein Leben abgesehen hatte. Smiths Aufgabe war es, eben dieses Attentat zu verhindern. Der sonst so unerschütterliche Admiral schien abgelenkt und in Gedanken verloren zu sein, die anderen machten einen nervösen Eindruck auf ihn.
Schließlich erteilte McMasters Aronoff das Wort.
»Der fünfte und letzte Anklagepunkt in diesem Kriegsgerichtsverfahren ist der des ungebührlichen Verhaltens eines Offiziers und Gentleman.« Aronoff beugte sich vor, die große schlanke Gestalt weit über den Tisch gelehnt, die Hände ausgebreitet, um sich abzustützen. »Dies ist der schwierigste Anklagepunkt von allen, Mitglieder des Tribunals. Es ist ein Punkt, der große Subjektivität impliziert und umfassende Kenntnisse der Ideale erfordert, die sich sowohl in den Vorschriften des Militärdienstes niederschlagen als auch in dem Geist, von dem er beseelt ist. Es geht dabei nicht so sehr um die Frage, ob eine Handlung im Rahmen des Militärgesetzes legal ist oder nicht, sondern ob die Imperiale Navy sich die Bürde auflasten will, ein solches Handeln gutzuheißen. Die Navy hat sich in diesem Fall zu einer Anklage entschlossen, weil die Art und Weise, wie der jüngste Feldzug zur Unterwerfung der Zor geführt wurde, eine beinah überwältigende Abscheu ausgelöst hat. Es bliebe ein Schandfleck auf der Ehre der Navy, würden wir diese Taten gutheißen. Ein Krieg, der unehrenhaft geführt und gewonnen wird, ist schlimmer als ein Krieg, den man ehrenvoll verliert. Es ist Aufgabe der Verteidigung, diese Ansicht zu widerlegen, falls sie das kann.«
»Ich bin bereit, mich dieser Herausforderung zu stellen«, gab Lynne Russ zurück. »Oder vielleicht sollte ich besser sagen, dass der Angeklagte dazu bereit ist. Die Verteidigung ruft Captain Marc Hudson in den Zeugenstand.«
Smith verließ den Saal, holte Marc Hudson und half ihm in den Zeugenstand. Hudson war blass und wirkte erschöpft, doch er rang sich ein ironisches Grinsen ab, als er die Reihe passierte, in der Marais saß. Nachdem er vereidigt worden war, bedeutete McMasters ihm, er könne sich während der Befragung hinsetzen.
»Nennen Sie bitte Namen und Dienstgrad«, forderte Russ ihn auf.
»Captain Marcus Abrams Hudson«, erwiderte er.
»In welcher Beziehung stehen Sie zum Angeklagten?«
»Ich hatte das Vergnügen, von April an unter ihm auf dem Raumschiff Biscayne zu dienen. Ich nahm an Kampfhandlungen der Flotte teil und leitete zudem die Angriff auf R’h’chna’a und A’anenu.«
»Haben Sie öfter mit dem Angeklagten gesprochen?«
»Ja, Captain.«
»Beschreiben Sie dem Gericht Ihren Eindruck von der Haltung des Angeklagten. Wie benahm er sich gegenüber Ihnen und den Leuten, die ihm unterstellt waren?«
»Er hat mich stets mit dem Respekt behandelt, der meinem Dienstgrad angemessen ist. Das gleiche Verhalten habe ich auch gegenüber anderen Offizieren beobachtet.«
»Neigte er zu häufigen Wutausbrüchen? Wurde er leicht zornig? Hatte er Schaum vor dem Mund oder …«
»Einspruch, Sir«, mischte sich Aronoff ein, der aus seiner Verärgerung keinen Hehl machen konnte. »Die Verteidigung macht aus der Zeugenbefragung eine Komödie.«
»Stattgegeben. Captain, Sie werden Ihre Fragen mit dem nötigen Ernst stellen.«
»Sir, jetzt muss ich Einspruch einlegen. Der Anklagevertreter hat während des ganzen Verfahrens immer wieder versucht, den Angeklagten nicht bloß als einen Mann hinzustellen, der die Regeln verletzt hat, sondern als ein Monster, als einen Verrückten, der nichts anderes kennt als Mordlust. Ich möchte feststellen, ob der Angeklagte irgendwelche offensichtlichen Anzeichen erkennen ließ, die das untermauern können.«
»Einspruch«, wiederholte Aronoff prompt. »Der Zeuge ist kein Experte auf diesem Gebiet, um ein sachlich fundiertes Urteil abzugeben.«
»Stattgegeben.«
»Ich ziehe die Frage zurück«, sagte Russ nur und sah zu Aronoff, der vor Wut kochte, dann fuhr sie fort: »Captain Hudson, Sie haben an einem Feldzug gegen die Zor teilgenommen, der extrem zerstörerische Wirkung hatte, der Zivilisten das Leben kostete und der – den Behauptungen der Anklagevertretung zufolge – in dieser Form nicht von der Admiralität abgesegnet worden war. Seit wie vielen Jahren dienen Sie in der Navy?«
»Seit dem letzten Januar sind es sechsundzwanzig Standardjahre.«
»Würden Sie sagen, dass Sie durchaus ein Experte hinsichtlich militärischer Strategien und Taktiken sind, wenn Sie bedenken, wie lange Sie bereits der Krone dienen?« Sie
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