BE (German Edition)
wieder ohne offensichtliche Vorwarnung gewaltig knallen. Und jeder Knall kostet Kraft und Geld. Sich da nicht in den Strudel der Emotionen hineinziehen zu lassen, sondern einen kühlen Kopf zu bewahren, die Wogen zu glätten und wieder eine Arbeitsatmosphäre herzustellen, das war sicherlich eines von Bernds großen Talenten. Ein Talent, das er sich offensichtlich schon in der Kindheit antrainiert hat.
Bei Bernds Eltern schlug sich die Affinität zu großem Drama auch in ihrer Liebe für schwere Musik nieder. Wagner, Bruckner, Mahler – das waren Manfred Eichingers Favoriten. Wenn Musik, dann heftig. Schon als Student hatte sich Manfred Eichinger Wagner-Opern von Stehplätzen aus angeschaut. Und wenn Wagner an sich schon eine Herausforderung an die menschliche Blase ist, so stellt eine Wagner-Oper vom Stehplatz aus noch einmal ganz andere Ansprüche an die Physis und die Willenskraft. Später, als verheirateter Mann, brachte Manfred Eichinger auch seine Ehefrau Ingeborg auf den Geschmack von so schwerer Kost. Jeden Sonntag spielte der Vater Wagner zu Hause auf dem Harmonium, und die Mutter summte mit. Weniger erbaulich war die Tatsache, dass Manfred Eichinger, der ähnlich wie Bernd an heftigen Schlafstörungen litt, mitten in der Nacht Schallplatten mit Wagner-Opern auflegte. Dass der Rest der Familie damit seine Schlafstörungen teilte, schien ihn wenig zu kümmern.
Manfred Eichinger hatte patriarchalische Vorstellungen von der Rolle des Vaters innerhalb der Familie. Er begriff sich selbst als Autoritätsperson, die die Pflicht besitzt, gewisse Regeln durchzusetzen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. »Mein Vater hatte gelegentlich solche Anfälle, dass er uns disziplinieren wollte. Da mussten Moni und ich uns auf einen spitzen Holzscheit knien, wenn wir etwas ausgefressen hatten. Moni hat das immer als Demütigung empfunden, aber ich konnte das gar nicht ernst nehmen. Ich wusste, das machte er nur, weil er dachte, dass er es machen musste. Ich hab nie verstanden, warum Moni das alles so ernst genommen hat. Wenn es hieß: ›Entschuldige dich bei deiner Mutter!‹ hat sie immer bockig den Kopf geschüttelt und sich geweigert, weil sie nicht einknicken wollte. Ich hab ihr immer gesagt: ›Dann entschuldige dich halt! Dann ist die Sache gegessen. Kann dir doch egal sein, was die denken. Hauptsache, du hast deine Ruhe.‹ Aber Moni ging’s immer ums Prinzip«, erzählte Bernd in Anspielung auf den »Baader Meinhof Komplex«, den er in Gedenken an Moni schrieb. Moni, die auf Gerechtigkeit pochende Idealistin, und Bernd, der anti-autoritäre Pragmatiker – Bernd sah diesen grundlegenden Unterschied, der sich später in den politischen Ansichten der beiden Geschwister äußern sollte, schon von Kindheit her angelegt. »Der Baader Meinhof Komplex« ist letztendlich Bernds persönliche Auseinandersetzung mit der für ihn schwer verständlichen Denkweise seiner Schwester.
Das Verhältnis zwischen Bernd und Moni spiegelt sich auch in Bernds erster professionellen Regiearbeit seit seiner Hochschulzeit wider, dem Film »Das Mädchen Rosemarie« von 1996. Darin spielt Bernds Exfreundin Hannelore Elsner die Schwester der männlichen Hauptfigur, gespielt von Heiner Lauterbach. Das Verhältnis dieser beiden Geschwister ist eng, sehr eng. Nicht inzestuös, aber doch so intim, dass es da eine Verschworenheit gibt, die gewisse Besitzansprüche nicht ausschließt. Obwohl wir »Das Mädchen Rosemarie« kurz vor seinem Tod noch einmal sahen, wurde mir erst bei einem Screening des Films im Rahmen der Berlinale 2011 zu seinem Gedenken bewusst, wie unglaublich persönlich dieser Film ist. Zwischen dem Abend, an dem ich mir den Film mit Bernd auf DVD anschaute und dem Screening auf der Berlinale lagen nur zwei Monate. Bernds Tod hat meine Sicht auf den Film jedoch komplett verändert. Es ist natürlich anders, wenn man einen Film anschaut und die Person, die ihn gemacht hat, sitzt neben einem auf dem Sofa, als wenn man ihn in einem dunklen Kinosaal sieht. Die Präsenz des lebenden Bernd war viel zu stark und hat den Film so überstrahlt, als dass ich erkennen konnte, wie sehr er sich mit seiner Gedankenwelt und seinem weiblichen Schönheitsideal in »Das Mädchen Rosemarie« verewigt hat. Außerdem hat er ständig dazwischengeredet.
Bernds Vorstellung, wie seiner Meinung nach eine schöne Frau auszusehen hat (obwohl er da gelegentlich schon erkennbare Zeichen einer gewissen Flexibilität zeigte), ist in seiner Inszenierung von
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