BE (German Edition)
Weiblichkeit in »Das Mädchen Rosemarie« wunderbar erkennbar. Und ja, bei der Vorführung in Berlin war dieser seltsame Moment, als Nina Hoss im Film als Rosemarie in einem goldenen Kleid durch einen Raum voller Menschen schreitet. Ihr Gesicht ist nur in Umrissen erkennbar, aber das Licht fällt auf ihr platinblondes Haar und lässt das Kleid schimmern. Das goldene Kleid hatte Bernd dem Kostümfundus später abgekauft und mir zum Geburtstag geschenkt.
Dieser Film, der von einem berühmt-berüchtigten Callgirl handelt, das 1957 ermordet wurde, zeigt, dass Bernds Schönheitsideal seinen Ursprung in den fünfziger Jahren hat, seiner Kindheit. Es war die Zeit, in der er seine ersten Erfahrungen mit Begehrlichkeiten machte. Wie viele kleine Jungen war Bernd verzaubert, wenn seine Mutter ihm gute Nacht sagte, bevor sie in die Oper oder zu einer Abendveranstaltung fuhr. Das Parfum, die langen Abendhandschuhe, der Schmuck, das Rascheln der Kleider gepaart mit der Vorstellung, dass die Mutter nun an einen geheimnisvollen Ort gehen würde, wo alle Frauen eine solche Aufmachung trugen – all das schlug Bernd in einen Bann, der sein gesamtes Leben anhalten sollte. Wenn man sich Katja Flint in »Das Mädchen Rosemarie« anschaut, dann ist ihre Aufmachung identisch mit dem Kleidungsstil von Bernds Mutter: die hochgesteckten Haare, die kleinen Perlenreihen um den Hals, diese steife, bürgerliche Eleganz, die zwar angepasst, aber nicht prüde wirkt.
Aber die Kostüme in »Das Mädchen Rosemarie« sind nicht nur an die Kleidung von Bernds Mutter angelehnt. Man sieht, wie die unterschiedlichsten Frauenfiguren in den Fünfzigern gekleidet waren – der hypersexualisierte Teenager, die neureiche Großindustriellengattin, das leichte Barmädchen … Frauen, wie Bernd sie bei den Ausflügen der Familie nach München, bei denen auch im Restaurant des Bayerischen Hofs gegessen wurde, gesehen hat. Vom Land kommend, wo er hauptsächlich von Bäuerinnen in Stallkleidung umgeben war, mussten diese herausgeputzten Frauen hoch faszinierend auf ihn gewirkt haben. Und so liebte Bernd die Wespentaillen und Bleistiftröcke, die Pelze und taftigen Stoffe der fünfziger Jahre, und wie sie dann wieder in den achtziger Jahren zurückkehren sollten. Und mehr noch: Er war besessen von diesem Look. So sehr, dass er die Frauen in seinem Leben dazu animieren wollte, sich genauso zu kleiden. Katja Flint erzählte mir, Bernd habe am Anfang ihrer Beziehung gewollt, dass sie sich für jeden Tag der Woche ein auf Taille geschnittenes Kostüm schneidern ließe. Und zu jedem Kostüm wollte er ihr den passenden Schmuck schenken.
Vor allem die Farbe Türkis hatte es Bernd angetan. Ein türkises Satinkleid, ärmellos und figurbetont – genau so wie es seine damalige Freundin Corinna Harfouch in Bernds zweiter Regiearbeit »Der große Bargarozy« trug –, am besten noch mit den passenden langen Handschuhen, davon war Bernd besessen.
»Eine meiner Tanten trug mal so ein türkises Kleid, ganz auf Taille geschnitten. Das war bei so einer Familienfeier, wo sich alle schick gemacht hatten. Und ich weiß nicht, damals als kleiner Junge hab ich das als überwältigend schön empfunden. Diese Farbe hat auf mich einfach eine extreme Wirkung«, erzählte Bernd mir, als wir wieder einmal über Kostüme und Kleidung sprachen. Ich habe meine Abschlussarbeit für meinen MA in Cinema & Television am British Film Institute (BFI) über die Kostüme und die damit verbundenen Weiblichkeitsideale der fünfziger Jahre geschrieben, bin also ebenso fasziniert wie Bernd von dieser Epoche und wie sich die Doppelmoral dieser Zeit in der Kleidung widerspiegelt. Nur eben dass ich im Gegensatz zu meiner damaligen Tutorin Laura Mulvey die Mode der fünfziger Jahre nicht als Unterdrückungsinstrument des Patriarchats gesehen habe, sondern als potenziellen Ausdruck einer starken Sexualität. Und damit lag ich genau auf Bernds Wellenlänge. Ich ließ mir während unserer Ehe das hellgraue Kostüm aus Hitchcocks Psychothriller »Vertigo« von 1958 nachschneidern. Dieses Kostüm lässt James Stewart im Film für Kim Novak anfertigen, um sie wieder wie ihre vermeintliche Doppelgängerin Madeleine aussehen zu lassen. Dieses Kostüm wird zum Sinnbild der Pygmalion-Tragik dieser Geschichte – James Stewart versucht, sich die perfekte Frau zu erschaffen, doch unterliegt einer Täuschung, die letztendlich nicht ihn, sondern die Frau das Leben kostet. Bernd und ich mochten »Vertigo« vor allem
Weitere Kostenlose Bücher