BE (German Edition)
besten Filme. Endlich kommt David, er fällt Doris in die Arme. Doris fällt ihm in die Arme, Küsschen, Küsschen. »Mein Gott«, denke ich, »nun mach endlich los, Junge.«
Doris ist in ihrem Element, sie plaudert was das Zeug hält, von ihrem nächsten Film, von ihrem übernächsten Film. Puttnam zeigt sich interessiert, das Gespräch vertieft sich. Wir anderen sitzen da – Mike und Warren angespannt –, sie können die Situation nicht einschätzen. Herman und ich schauen uns an, wir wissen beide – verspekuliert. David ist schon beim Kaffee, als er sagt: »Wann fangt ihr an zu drehen?« Ich sage müde: »Mit dem Drehbuch?« Er, fast ungeduldig: »Ja klar. Das ist doch großartig – great!« Ich schaue zu Doris, Doris schaut mich an, strahlt und meint: »Hab ich doch gesagt.« David Puttnam ist übrigens gar kein Amerikaner, er ist Europäer, wie wir, und erst seit einem halben Jahr in Hollywood.
Kurzer Einschub zu Sir David Puttnam, dem Produzenten von »Midnight Express – 12 Uhr nachts« und »Die Stunde des Siegers« (im Original »Chariots of Fire«), der in Großbritannien derzeit seiner Heiligsprechung entgegensieht: Er war als Europäer zum Chef eines Hollywoodstudios ernannt worden. Mit anderen Worten, endlich ein Europäer mit Geld! Für Bernd und Herman Weigel ein natürlicher Verbündeter. Auch Puttnam brauchte Verbündete in Hollywood, und der junge, dynamische Erfolgsproduzent aus Deutschland kam ihm gerade recht. Bernd, Herman und Puttnam verbrachten viele Abendessen miteinander. Erste Zweifel an der gemeinsamen Zukunft kamen Bernd, als Puttnam während seiner ersten Filmfestspiele in Cannes als Studiochef von Columbia Pictures ein riesiges Plakat auf der Promenade de la Croisette, der Strandpromenade und Hauptschlagader der Festspiele, aufstellen ließ. Auf diesem Plakat war die Galionsfigur von Columbia Pictures zu sehen: die in eine Toga gekleidete Columbia. Doch anstatt der üblichen Fackel hatte Puttnam der Columbia eine britische Flagge in die Hand gesteckt, die sie nun über die Croisette schwenkte. Quer auf dem riesigen Plakat prangte die Schlagzeile: »Movies that matter« (= Filme, die zählen).
Sir David Puttnam verkündete damit der Welt, dass die Briten in Hollywood eingezogen waren und es den Amerikanern schon zeigen würden – von nun an werden nur noch wichtige Filme gemacht! Das Ego war damit offiziell gelandet. Und das in einer Stadt, in der Egos nun wirklich keine Mangelware sind. Für Bernd war dies die ultimative Hybris. Was ein »wichtiger« Film war, entschied für Bernd nicht der Studiochef, sondern das Publikum. Klar konnte und sollte man aus Bernds Sicht als Filmemacher Kino machen, das einem selbst wichtig war. Aber daherzukommen und den moralischen Anspruch zu vertreten: Das ist jetzt ein wichtiger Film, den habt ihr euch gefälligst anzuschauen, denn ich habe schließlich die Moral, den guten Geschmack und auch die Intelligenz gepachtet, ich weiß nicht nur alles, ich weiß auch alles besser – das bedeutete für Bernd die größte Sünde, die ein Filmemacher begehen konnte. Das war Verachtung des Publikums. Ganz zu schweigen von der britischen Arroganz, die hinter dem präpotenten Siegeswedeln des Union Jacks steckte.
»Movies that matter« war ein geflügeltes Wort zwischen Bernd und mir. Jedes Mal, wenn ein Film oder Filmemacher mit dem erhobenen Zeigefinger daherkam, schauten wir uns nur an und einer sagte »Movies that matter«.
Bernd war allergisch gegen Moralismus, besonders wenn er gepredigt, aber nicht gelebt wurde. Deshalb störte es ihn auch, dass Sir David zwar nach außen den Moralapostel gab, wenn er in München war aber stets erwartete, von Bernd in einschlägige Etablissements geführt zu werden. Zumal Bernd meist kurz darauf mit dem Ehepaar Puttnam zu Abend essen sollte.
Einen Moral-Macho, zu dem Bernd nie ein gutes Wort finden konnte und der sich in Sir Puttnams Gefolgschaft befand, war der Regisseur Roland Joffe. Herman Weigel lacht: »Der einzige Regisseur, der es nicht fertiggebracht hat, eine gute Performance aus Robert de Niro rauszuholen, war Roland Joffe. Den fanden wir wahnsinnig prätentiös und verlogen.« Trotzdem musste Bernd Joffe ertragen, denn er war nun mal in Puttnams Schlepptau, und Puttnam war schließlich ein wichtiger Studiochef. So unsympathisch er ihn auch fand, gegen seine Gegenwart war er machtlos, und eine solche Ohnmacht war kein Gefühl, mit dem Bernd gut klarkam. Bernds Ärger über Roland Joffes
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