BE (German Edition)
Moralismus ging so weit, dass Bernd während eines Abendessens in Los Angeles, bei dem schon einiger Rotwein geflossen war, so erzürnt war, dass er Joffe zu einer Mutprobe herausforderte: Joffe sollte seine Willenskraft und Leidensbereitschaft mit der Bernds vergleichen, indem er sich eine brennende Zigarre auf den Handrücken presste. Da würde Joffe schon sehen, wer von ihnen beiden mehr aushielt! Joffe ließ sich auf diesen masochistischen Macho-Test ein. Beide Männer brannten sich eine Zigarre auf den Handrücken. Joffe gab schon nach wenigen Sekunden auf, aber Bernd hatte so der Hafer gestochen, dass er mit betont steinerner Miene die Zigarre bis aufs Fleisch durchbrennen ließ. Am nächsten Tag hatte er eine riesige Brandblase auf der Hand, die nur langsam abheilen und eine Narbe hinterlassen sollte, die bis zu seinem Lebensende leicht sichtbar blieb. Moritz Bleibtreu sollte diese Geschichte über Frustration, die in Autoaggression umschlägt, in Hans Weingartners »Free Rainer – Dein Fernseher lügt« nacherzählen und sich in einer Szene eine brennende Zigarette auf dem Handrücken ausdrücken.
Aber zurück zu Bernds Erzählung zur Entstehungsgeschichte von »Ich und Er«:
31. Juli 1987 – München
Nach diesem Multi-Dollar-Lunch sind wir alle erst mal zurück nach München. Wir haben geredet, gestritten, uns versöhnt, uns beschimpft, uns gegenseitig die Kompetenz zum Filmemachen abgesprochen. Schließlich habe ich Doris freigestellt, den Film anstatt mit mir, mit Puttnam als Produzent zu machen. Ich könne eben nichts produzieren, von dem ich nicht wirklich überzeugt wäre, das Geld von Columbia hin oder her. Doris merkt, dass es mir ernst ist. Ihr laufen Krokodilstränen über die Wangen, sie schluchzt: »Du verlässt mich.« (Ein wirkungsvoller Auftritt, zumal in der Öffentlichkeit.) Ich: »Nein, du verlässt mich« etc. Wir kommen zu dem Entschluss, dass keiner den anderen verlässt, stattdessen noch eine Drehbuchfassung geschrieben wird. Ich verschiebe, zum dritten Mal, den Drehbeginn.
Bernd schwebte mit »Ich und Er« ein Film wie »Tootsie« oder »Die Hexen von Eastwick« vor. Er wollte die »große Lösung«, Doris Dörrie aber die »kleine«. Oder wie Bernd es in seinem Artikel zusammenfasste: »Sie will Schwabing und Greenwich Village – ich will die Welt.« Bernd wollte Bruce Willis für die Hauptrolle, der damals mit der Fernsehserie »Moonlighting – Das Model und der Schnüffler« seinen großen Durchbruch hatte, Doris Dörie wollte Jeff Daniels aus Woody Allens »The Purple Rose of Cairo« oder Griffin Dunne aus Martin Scorseses »Die Zeit nach Mitternacht«. Bruce Willis, so Herman Weigel, wäre möglicherweise bereit gewesen, die Hauptrolle zu spielen. Die Wahl fiel aber auf Griffin Dunne.
Samstag, 12. September
Doris ist schon über zwei Stunden zu spät. Ich habe sie überzeugt, noch einmal über den Schluss des Drehbuches zu reden. Dafür bleibt jetzt nur noch eine knappe halbe Stunde, weil wir hinterher zum Abendessen verabredet sind. Das ist natürlich kein Zufall. Die alte Kiste bahnt sich an: Kaum bin ich mal eine längere Zeit nicht da, bin ich das Ungewisse, das von außen kommt, vor dem man sich in Acht nehmen muss. Es könnte die Reinheit der Gedanken verwässern etc. Aber da hilft nichts, da muss ich durch. Normalerweise dauert es ja nicht lange, bis sich die Lage wieder normalisiert. Nach einer gewissen Zeit gehöre ich automatisch wieder dazu, und wir arbeiten an der Sache, wie es sich gehört. (Doris ist ja sehr, sehr talentiert und alles andere als blöd.) Aber diesmal, so kurz vor Dreh, bin ich nicht sicher, was passiert.
Als sie endlich mit Mike Juncker zur Türe hereinkommt, trägt sie auf dem Kopf eine Schaumstoffkrone. Ich denke, ich sehe nicht richtig. Eine nachgebildete Krone der Freiheitsstatue, darauf steht gedruckt das Wort »Liberty«, also Freiheit. Ihr etwas starrer Blick und die ruckartige Bewegung, mit der sie sich auf die Couch setzt, verraten auch nichts Gutes. Statt über das Drehbuch zu reden, unterbreitet sie mir, dass sie meine Anwesenheit am Drehort nicht vertragen würde. Ich möchte dafür Verständnis haben, sie käme sich beobachtet und dominiert vor. Das ist dann doch ein starkes Stück. Was soll das nun wieder? Die Regisseure meiner letzten Filme hätten mich gevierteilt, wenn ich nicht da gewesen wäre. Außerdem – ich habe das Scheißding zusammengestellt, finanziert, es war meine Stoffidee. Es ist mein
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