BE (German Edition)
Film genauso wie der ihre. Ich bin drauf und dran, ihr eine reinzuhauen, aber Gott sei Dank funktioniert in letzter Sekunde mein »Krisenbewältigungsmechanismus«: Ich sehe mich und die Situation plötzlich wie im Kino, wie ein unbeteiligter Beobachter – quasi von außen. Ich sehe mich mitten im Raum stehen (ich bin aufgesprungen), wie ich Doris anstarre und irgendwas murmele wie »Kinderkram«, wie sie mich anstarrt, wohl schon im Wissen, dass sie diesmal zu weit gegangen ist. Ich verbissen, sie mit der albernen Schaumstoffkrone auf dem Kopf, Mike in der Mitte, wir alle drei wie in der Bewegung eingefroren: Artisten in der Zirkuskuppel – ratlos – drei Amerikaner in Paris – drei Bayern in New York – grotesk. Ich möchte am liebsten loslachen. Beim Rausgehen flüstert mir Mike zu, er hätte von diesem Ansinnen keine Ahnung gehabt – ich glaube ihm kein Wort. Egal. Jetzt gehen wir erst mal was essen. Die Drehbuchbesprechung wird vertagt.
In dieser Nacht besaufe ich mich.
Derweilen bewies Sir David Puttnam wieder einmal, dass Hochmut gewöhnlich dem Fall beziehungsweise dem hochkanten Rausschmiss vorausgeht. Bernd ahnte schon, dass irgendetwas »oberfaul« war, wusste aber nicht so recht, wie er sein schlechtes Gefühl begründen sollte. Es waren noch zehn Tage bis Drehbeginn, und der endgültige Vertrag mit Columbia war immer noch nicht unterzeichnet. Zwar kannte er das Spiel schon von »Die unendliche Geschichte« und »Der Name der Rose« und hatte damals ja auch schon ohne unterzeichneten Vertrag mit einem US-Studio den Dreh begonnen, aber diesmal stimmte irgendetwas nicht. Schließlich wurde der Vertrag mit Columbia Pictures für die Finanzierung von »Ich und Er« unterschrieben. Sehr zu Bernds Überraschung. Am nächsten Tag erklärte Sir David Puttnam, dass er seinen Posten bei Columbia Pictures niederlegen werde.
Um die Vertragsunterzeichnung zu feiern, lud Bernd Doris, den Co-Autoren Mike und den Kameramann Helge Weindler zum Abendessen ein. Es war Mikes Geburtstag. Auch Nina, Bernds Tochter, feierte am nächsten Tag, dem 16. September, in München Geburtstag. Durch die Zeitverschiebung zwischen New York und Europa war es in München schon Mitternacht und somit Ninas Geburtstag. Auch darauf wurde angestoßen. Die Symbolik der Tatsache, dass Bernd nicht bei der Geburtstagsparty seiner Tochter, sondern bei der seines Drehbuchautoren anwesend war, wird auch Bernd nicht entgangen sein. Vor diesem Hintergrund ist auch das Streitgespräch zu verstehen, das an diesem Abend zwischen Bernd und Doris Dörrie entstand. Bernd beschreibt es so:
Am Tisch herrschte die Meinung, dass Werner Herzog bei seinem Film »Fitzcarraldo« für die Sache des Films die ansässigen Indianer ausgebeutet hätte. Das hätte er nicht tun dürfen. Ich halte das für Blödsinn. Mal ganz abgesehen davon, dass ich es nicht glaube, dass er’s gemacht hat, stört die Leute doch nur eins an ihm: dass er radikal seine Ideen durchsetzt. Ohne Rücksicht auf sich oder andere.
Und genau das ist der Punkt.
Der Kampf um das kleine Körnchen Wahrheit, das die Leute zum Weinen oder zum Lachen bringt, zerfetzt dich und andere so oder so.
Nur die Mittelmäßigkeit kennt Gnade – aber auch nur für diejenigen, die Qualität gar nicht erst erkennen. Doris entgegnet, dass ich mit dieser Einstellung als einsamer Mensch enden werde. Ich merke, dass sie mich jetzt insgeheim für einen Zyniker hält und auch, dass sie nicht heuchelt. Sie meint wirklich, was sie sagt. Das macht die Sache aber im Grunde nur noch schlimmer.
Mir ist das alles zum Kotzen klar.
Aus der Auffassung heraus, dass Filmemachen eben eine Sache auf Leben und Tod ist, mochte, respektierte und bewunderte Bernd Werner Herzog. Herzogs Radikalität fühlte er sich verbunden. Hier mein Gespräch, das ich mit Werner Herzog nach Bernds Tod führte:
Bernd und Sie hat eine interessante Freundschaft verbunden. Wie genau sah die aus?
WH: Ich bin meistens unangekündigt bei der Constantin Film in Bernds Schwabinger Büro aufgetaucht, oder ich habe angerufen und gesagt: »Bernd, du ich komm’ jetzt mal vorbei.« Da hab ich dann gar nicht weiter auf eine Antwort geantwortet und bin einfach reinmarschiert. Einmal saß Bernd da mit zwei oder drei Anwälten an seinem Konferenztisch. Ich habe mich dazugesetzt und bin nach einer Viertelstunde wieder aufgestanden und gegangen.
Worüber haben Sie geredet?
WH: Wir haben immer sofort angefangen, Geschichten
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