BE (German Edition)
sich Geißendörfer. »Jeder andere Produzent hätte gesagt: ›Der Bennent soll jetzt nach Hause gehen, dann werde ich mit dem reden und morgen wird weitergedreht.‹ Aber das hat Bernd nicht verlangt. Er hat sich mit absoluter Loyalität hinter mich gestellt.«
Der italienische Schauspieler wurde jedoch nicht eingesetzt, denn es kam, wie man es sich erhofft hatte – nach langem Hin und Her entschuldigte sich Bennent. Er drehte »Perahim« brav zu Ende. Nur wenn Bernd ans Set kam, wurde er laut Geißendörfer etwas nervös.
Während dieser Dreharbeiten trug Bernd immer einen Glücksbringer bei sich, den ihm Uli Edel noch während der Filmhochschule geschenkt hatte: eine Pistolenkugel vom Kaliber 7,65 Millimeter, wie sie für »Walther«-Polizeipistolen benutzt wurden, mit einer sehr glatten, fast golden glänzenden Oberfläche. Uli Edel hatte sie sich irgendwann in einer, wie er sagt, »spätpubertären Phase« angeeignet und immer bei sich getragen. Vor seinem eigenen HFF-Abschlussfilm, zu dem Bernd natürlich die Produktionsleitung übernahm, hatte Uli sie Bernd als Glücksbringer geschenkt. Hans W. Geißendörfer erinnert sich, dass Bernd immer mit dieser Kugel spielte, sie in die Luft warf und wieder auffing. Das habe natürlich ziemlich draufgängerisch gewirkt, so Geißendörfer. Wie ein einsamer Cowboy in einem Spaghetti-Western, dessen Lieblingsmelodie das Lied vom Tod ist. Für Bernd war diese Pistolenkugel jedoch weit mehr als Attitüde. Die Kugel blieb über Jahre hinweg sein Talisman. Sie bei sich zu tragen war für ihn schon fast ein sakraler Akt. Wenn er sie morgens nicht finden konnte, suchte er verzweifelt danach und weigerte sich, zum Drehort zu fahren, solange er sie nicht gefunden hatte.
Viele Jahre später, als die Pistolenkugel dann doch verloren gegangen war, ersetzte Bernd sie durch eine antike Münze aus der Zeit von Alexander dem Großen. Auf der einen Seite ist Alexanders Profil eingestanzt, mit Widderhörnern als Krone. Bernd trug die Münze immer bei sich. Nur wenn er einen Film drehte, gab er sie seinem Regisseur am ersten Drehtag als Leihgabe. Allein schon deswegen, weil die Münze Tausende von Jahren alt und kostbar, gleichzeitig aber so klein und leicht zu verlieren war, war das Tragen der Münze laut Tom Tykwer eine aufregende und ebenso stressbesetzte Obliegenheit. Jeder Regisseur war abergläubisch und trug sie ständig bei sich. Keiner wollte das Glück herausfordern! Doch das Risiko, sie zu verlieren, war immer präsent. Und genau darin liegt die Macht dieser Münze. Es wird einem bewusst, was für eine launische Dame Fortuna ist und wie leicht man das Glück verlieren kann. Auch wenn ein Regisseur nicht an Glücksbringer glaubte, so war diese Münze mit so vielen Emotionen besetzt, dass ihre Überreichung durch Bernd wie das Einschalten eines Hochspannungsgenerators wirkte. Jetzt war man dran, jetzt ging’s los – Alexander würde einem Glück bringen, aber wehe dem, der ihn verlor!
»Napoleon hat immer von seinen Generälen gefordert, sie müssten Fortune haben! Um im Krieg zu gewinnen, brauchst du Glück!«, sagte Bernd oft. Filmemachen mit Krieg zu vergleichen, lag für ihn auf der Hand, denn im Krieg wie im Filmemachen gab es unzählige Unbekannte, über die auch der klügste Feldherr keine Kontrolle hatte. Außerdem sei Filmemachen, so Bernd, »der Krieg gegen die Mächte der Trägheit und des Mittelmaßes«. Und um gegen diese nicht zu verlieren, brauche man nicht nur Mut, sondern eben auch Fortune .
Die Alexandermünze war eine Form der Heldenverehrung und eine Erinnerung daran, dass einen Film zu machen immer auch eine kleine Heldentat ist. Schließlich ist jeder Film eine Reise ins Ungewisse – egal wie gut man vorbereitet ist, egal wie phantastisch die Schauspieler oder wie perfekt das Drehbuch, niemand kann voraussagen, ob ein Film gut oder gar erfolgreich wird. Eine Heldentat verändert auch den Helden. »Der Baader Meinhof Komplex« beispielsweise hat Bernd verändert, ebenso wie »Der Untergang«. Er hat eine persönliche Transformation erlebt. Somit erfüllt Filmemachen die Kriterien einer »Heldenreise«, wie der von Bernd sehr verehrte Mythenforscher Joseph Campbell sie definiert: »Das Leitmotiv der Reise eines jeden Helden besteht in Tod und Wiederauferstehung – man verlässt einen Daseinszustand, opfert sich selbst, um so auf eine neue Bewusstseinsebene zu gelangen.«
»Perahim – die zweite Chance« wurde erfolgreich abgedreht. Bernd hatte seine
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