BE (German Edition)
Abläufen beschäftigte, er sofort mögliche Fehler im System erkennen und beheben konnte. Uhrzeiten, Budgets, jede Art von Zahlenabläufen – Bernd starrte auf die Listen und nach wenigen Momenten legte er den Finger auf eine Zeile und meinte: »Hier stimmt doch was nicht …« Fast immer behielt er recht. Bernd beschrieb mir das so, dass er manchmal das Gefühl hatte, er würde die Probleme wie in Zeitlupe auf sich zufliegen sehen, während er sich selbst ganz normal in einem entschleunigten Raum bewege. Das sei ein bisschen so wie die Kampfszenen in »Matrix«, wenn Keanu Reeves sich nach hinten beugt, um dem Kugelhagel zu entgehen, meinte er.
Die Kunst des Organisations-Thai-Chi stellte Bernd nach seinem abgeschlossenen Studium zum ersten Mal bei dem Film »Perahim – die zweite Chance« (1974) unter Beweis. Regie führte Hans W. Geißendörfer, und die Hauptrolle spielte der prominente Theaterschauspieler Heinz Bennent, dessen Sohn David Bennent 1979 in »Die Blechtrommel« Weltruhm erlangen sollte. Gedreht wurde in Wien, mit Bernd als Produktionsleiter und Uli Edel als Geißendörfers Regieassistent. Zuvor jedoch mussten Uli und Bernd das Drehbuch schreiben. Es wurde eines von mehreren, die sie für Geißendörfer schrieben – ohne dafür eine Titelnennung zu erhalten. Geschrieben wurde bei Geißendörfer zu Hause in der Nähe von München, wo der spätere Erfinder der TV-Serie »Die Lindenstraße« in einem Bungalow mit dazugehöriger Holzhütte wohnte. Uli und Bernd übernachteten in der Holzhütte, und morgens um Punkt neun servierte Geißendörfer »Katastrophen-Omelette«, was nichts anderes war als eine große Pfanne Rührei, in die Geißendörfer alles hineinschnipselte, was er im Kühlschrank finden konnte. Dann wurde den gesamten Tag lang geschrieben, bis man abends zum Griechen essen ging. Diese konzentrierte Arbeitsweise sollte Bernd auch beibehalten, als er Jahrzehnte später Drehbücher zu den Filmen »Der Untergang« oder »Der Baader Meinhof Komplex« schrieb.
Laut Geißendörfer verliefen die Dreharbeiten zu »Perahim« weitgehend problemlos. Allerdings gab es eine Episode, die die Produktion fast zum Stillstand gebracht hätte:
Die Dreharbeiten waren schon eine Woche lang im Gange. Nun sollte eine Szene gedreht werden, in der Heinz Bennent einer Darstellerin eine Ohrfeige gab. Zwei, drei Mal wurde die Szene wiederholt, aber immer wieder sah man, dass die Schauspielerin wegtauchte und Bennent ihr nicht wirklich eine Ohrfeige verpasste. Die Reaktion der Schauspielerin war einfach zu spät. Bennent nahm Geißendörfer beiseite und flüsterte ihm zu: »Hans, ich hau ihr jetzt richtig eine runter. Dann hast du das im Kasten!« Geißendörfer erklärte, dass Bennent dies auf gar keinen Fall tun solle. Als man sich jedoch wieder am Set versammelte, die Kamera rollte und Geißendörfer »action!« sagte, schlug Bennent die Darstellerin trotzdem mit der Rückhand so heftig ins Gesicht, dass sich seine Hand rot auf ihrer Wange abzeichnete. Noch zwei Stunden später war der Handabdruck sichtbar, erzählt Geißendörfer, und die Darstellerin in Tränen aufgelöst. Bennent war stolz, dass die Szene nun im Kasten war, aber Geißendörfer wollte ihn feuern. Es wurde eine Drehpause eingelegt, und Geißendörfer rief Bernd im Produktionsbüro an. »Ich hab ihm am Telefon erklärt, was passiert war«, erzählt Geißendörfer. »Bernd hat keine einzige Frage gestellt oder meine Erzählung hinterfragt. Er hat nur zur Kenntnis genommen, dass der Hauptdarsteller eine Schauspielerin gegen meinen Willen ins Gesicht geschlagen hatte. Ich hab Bernd gesagt, dass ich Bennent rausschmeißen wolle. Und seine Antwort war: Dann schmeiß ihn raus!« Kurz darauf kam Bernd zum Filmset. Als er den Raum betrat, war Bennent gerade dabei zu gehen. Bennent grinste Bernd an und meinte: »Gell, jetzt ham’s keinen Hauptdarsteller mehr, Herr Produzent!« Dann ging Bennent zu seinem Volvo, legte seine Aktentasche auf das Autodach und fuhr davon. Die Aktentasche fiel herunter. Bernd hob die Tasche in aller Ruhe auf und öffnete sie. »Schau ma’«, meinte Bernd gelassen, »sein Pausenbrot hamma ja noch!«
Geißendörfer war verzweifelt. Was sollte er jetzt bloß tun? Schließlich hatte man schon eine Woche mit Bennent gedreht. Bernd blieb ganz ruhig. Als Geißendörfer einen italienischen Schauspieler vorschlug, rief Bernd diesen sofort an und ließ ihn für den nächsten Tag nach Wien holen. »Das fand ich großartig«, erinnert
Weitere Kostenlose Bücher