BE (German Edition)
eigene Reise ins Innere. Wenn man jetzt interpretationswütig wäre, würde man das so sagen: Du musst ’ne Reise machen und dann kommst du an die Gabelung, was ist die richtige Entscheidung? Und der trifft halt die schlechte. Ich sage ja nicht, dass wir es wie bei Easy Rider gemacht haben, weiß Gott nicht. So verrückt waren wir ja auch gar nicht drauf, wie die zwei. Aber so ein bisschen was merkt man davon, es ist so die Idee ›on the road‹, und dadurch spielt natürlich das Auto auch eine Rolle. Aber es war ein VW-Bus. Das ist ja jetzt nicht gerade ein sexy Auto.
Tja, und damit hatte Bernd sein Studium an der Filmhochschule bestanden. Ein paar gute Freunde fürs Leben hatte er gefunden, wichtige Lektionen gelernt und einen wehmütigen Film zum Abschluss gemacht, bei dem die Entscheidung für das Geld und gegen die Freiheit die falsche Entscheidung ist. Da stellt sich die Frage: Welche Entscheidung hat Bernd in seinem eigenen Leben getroffen? Mit all dem kommerziellen Erfolg, den er mit seinen Filmen erreichte, bedeutet das nicht, dass er sich für das Geld entschieden hat? Bernd hat sich an seinen Gabelungen immer für das Kino entschieden. Denn Kino, das war ja gleichbedeutend mit Freiheit.
Wanderjahre
NA ch dem abgeschlossenen Studium bot die Bavaria Bernd einen Regievertrag für eine Folge einer Vorabendserie an. Die zuständigen Chefs bei der Bavaria hatten den Vertrag schon unterzeichnet, es fehlte nur noch Bernds Unterschrift. Bernd hat den Brief, der dem Regievertrag beilag, aufgehoben. Darin heißt es:
Sehr geehrter Herr Eichinger, 18. 3. 1974
in der Anlage erhalten Sie den Regievertrag, unsere Produktion O’HENRY ERZÄHLT »Das Familienerbstück« betreffend.
Bitte haben Sie die Freundlichkeit und senden Sie uns die unterschriebenen Kopien wieder zurück.
Mit freundlichen Grüßen
i. A.
(Sekretariat Dr. Krapp)
Es war genau die Art von Vertrag, die man sich wünschte, um nach dem Studium sofort als Regisseur einzusteigen. Bernd erzählte mir, wie er dieses Stück Papier vor sich liegen sah und wie er sich die Zukunft ausmalte, die seine Unterschrift mit sich bringen würde. Er wusste, er würde als Fernsehregisseur höchstwahrscheinlich erfolgreich sein. Er würde schnell und gut arbeiten. Nach der ersten Vorabendserie würde sicher die nächste kommen. Dann könnte er wahrscheinlich aufsteigen ins Abendprogramm. Und wenn er dann Krimis wie »Tatort« oder »Der Alte« machen würde und damit das Höchste als Fernsehregisseur erreicht hätte, würde ihm die ganze Sache langweilig und überdrüssig werden, weil er sich nicht mehr weiterentwickeln könnte. Aber zu diesem Zeitpunkt hätte er sich schon an das Geld gewöhnt, hätte sich einen Lebensstandard – mit teurer Wohnung und dickem Auto – zugelegt, der wie ein hungriges Monster gefüttert werden will. Und je länger man das Monster füttert, desto größer und hungriger wird es. Er hätte sich nicht mehr davon lösen können, wäre in seinem Fernsehkomfort versackt und hätte sich angewidert von seinem eigenen Mittelmaß und seinen ungelebten Träumen vom großen Kino direkt auf die Midlife-Crisis zubewegt. Bernd unterschrieb nicht.
Dazu muss man wissen, dass die Filmlandschaft in Deutschland damals »eine reine Fernsehlandschaft« war, so Bernd. »Es gab ein paar Leute, die haben Filme gemacht, aber es war eigentlich die totale Ausnahme. Man hätte ja sagen können: ›Dann mach halt billige Filme‹. Fassbinder hat ja auch sehr billige Filme gemacht, Wenders hat billige Filme gemacht. Herzog hat letztendlich auch billige Filme gemacht. Da waren ein paar Leute draußen, bei denen man sagen konnte: Die haben sich mit Film beschäftigt! Aber die Mehrzahl ist erst mal beim Fernsehen gelandet und da auch kleben geblieben … Ich wollte das nicht. Ich wollte nie zum Fernsehen, das hat mich nicht interessiert. Ich wollte so Filme machen, wie ich es an der Filmhochschule gesehen hatte … Und dann dachte ich, wenn es die Landschaft nicht gibt, dann erschaffe ich sie mir eben. Und das habe ich dann insofern gemacht, als dass ich halt … also ich will mich nicht selber beweihräuchern, aber ich war irrsinnig effektiv in der Herstellungsleitung«, erzählte Bernd im Interview mit Judith Früh und Helen Simon von der HFF.
Dass Bernd in der Tat organisatorische Fähigkeiten von gelegentlich erschreckender Genialität besaß, stimmte. Ich habe oft genug mitbekommen, wenn er sich mit organisatorischen
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