BE (German Edition)
nicht gebrüllt. Bei »Divorce His, Divorce Hers« hatte er am eigenen Leib mitbekommen, wie sich so etwas anfühlte und wollte das an seinen Sets nicht haben.
Die Katharsis mit dem verhassten Regieassistenten erlebte Bernd kurz vor der Oscar-Verleihung im Jahr 2009, als »Der Baader Meinhof Komplex« nominiert war und wir zu einem Empfang mit deutschen Filmschaffenden in der Villa Aurora in Los Angeles eingeladen waren. Da stand er auf einmal vor ihm, der Mann, gegen den Bernd all die Jahre Rachegefühle gehegt hatte. Er war nett und freundlich und freute sich ganz unerhört, Bernd wiederzusehen und beglückwünschte ihn zu seiner Oscar-Nominierung. Bernd war sprachlos. Dieser Mann hatte keine Ahnung, was er all die Jahre für Bernd bedeutet hatte! Von Bedrohlichkeit und Bösartigkeit keine Spur. Und es war ein Moment wie in Franz Werfels Novelle »Nicht der Mörder, der Ermordete ist schuldig«, als der Protagonist erkennt, dass sein Vater kein Ungetüm, sondern ein hilfloser Mann mit einer lächerlichen Perücke ist, und so Erlösung erfährt. Bernd hat 2009 leider keinen Oscar gewonnen, aber er ist einen Dämon losgeworden.
Es war 1973. Bernds Zeit an der HFF neigte sich ihrem Ende und er sollte seinen Abschlussfilm drehen. In seinen Unterlagen aus dieser Zeit findet sich ein Exposé mit dem Titel »Der Erfolgreiche«. Auch wenn die Geschichte im Bayerischen Wald spielt, so scheint sie doch stark vom italienischen Neorealismus beeinflusst, den sowohl Bernd als auch Uli Edel sehr bewunderten. »Rocco und seine Brüder« (1960) von Visconti ist einer der Lieblingsfilme der beiden. Die Hauptfigur in »Der Erfolgreiche« heißt nicht Rocco, sondern Toni und träumt davon, Rennfahrer zu werden. Aus einer Notsituation heraus nimmt er jedoch das Angebot eines gewissen Herrn Bognini an, als »Todesfahrer« Schrottautos in waghalsigen Stunts zu Totalschäden zu fahren. Schnell wird er zum Star unter den »Todesfahrern«, was ihm Neid und Hass der anderen Fahrer einbringt. Auch seine Frau und seine Kinder entfernen sich von ihm. Als er schließlich die Gelegenheit bekommt, ein echtes Autorennen zu fahren, manipulieren seine neidischen Kollegen die Bremsen seines Rennwagens, und er fährt sich – während er als Erster über die Zielgerade schießt – in den Tod. Fazit: Erfolg ist lebensgefährlich und mit Schmerz verbunden. In gewisser Weise hat Bernd da sicherlich Aspekte seiner eigenen Karriere vorhergesehen.
»Der Erfolgreiche« hat Bernd nie verfilmt. Wahrscheinlich auch, weil die darin entworfenen Stunts für ein Hochschulfilmbudget nicht machbar waren. Stattdessen entstand »Weihnachtsmärchen«, in dem der Protagonist auch Tony heißt. Bernd musste in dem Film die Hauptrolle spielen, weil der Hauptdarsteller, den er für den Part verpflichtet hatte, am ersten Drehtag morgens nicht am Set erschien. Niemand konnte ihn finden, und man konnte es sich auch nicht leisten, am Sonntag nicht zu drehen. Bernd übernahm dann notgedrungen den Part, auch wenn er nie schauspielerische Ambitionen hatte und sich vor der Filmkamera eher unwohl fühlte. Als er Jahre später in Til Schweigers »Knockin’ On Heaven’s Door« einen Cameo-Auftritt spielen sollte, habe er Blut und Wasser geschwitzt und sei sehr nervös gewesen, erzählte er mir. Von Nervosität oder Lampenfieber ist bei Bernd in »Ein Weihnachtsmärchen« jedoch nichts zu spüren. Er schaut extrem jung aus mit den langen Haaren, den Koteletten und dem hageren Gesicht, das er in bester Steve-McQueen-Manier kaum bewegt.
»Ein Weihnachtsmärchen « ist ein Roadmovie, das am Hamburger Hafen mit dem Hissen der amerikanischen Flagge und der amerikanischen Nationalhymne beginnt und über verregnete Autobahnen mit Joe Cocker als Soundtrack quer durch Deutschland führt. Die Hauptfigur ist ein Ganove, der auf dem Weg ein Hippiemädchen mitnimmt und sich nun entscheiden muss: Freiheit und Liebe oder Geld? Bernd sagte in dem bereits erwähnten HFF-Interview über »Ein Weihnachtsmärchen«:
… die Idee von Weihnachtsmärchen ist, dass jemand durch Deutschland fährt, um sich an der Beute zu bereichern, die er da glaubt, versteckt zu haben. Er könnte diese Vergangenheit aber auch hinter sich lassen und einfach mit dem Mädchen in den Süden fahren … das steht an der Gabelung. Dann entscheidet er sich halt für das Geld, und dadurch geht er drauf. Also, so simpel ist das. Das ist, wenn man so will, ein bisschen eine Metapher für die eigene Reise. Also für die
Weitere Kostenlose Bücher