BE (German Edition)

ersten Produktionserfahrungen gemacht und fühlte sich nun zu Großem berufen. Und da ja Zaghaftigkeit bzw. Mangel an gesundem Größenwahn nie wirklich Bernds Problem war, suchte er sich als sein erstes Projekt als Filmproduzent kein geringeres als die Verfilmung des zweiten Teils der Nibelungensage. Gemeinsam mit dem Drehbuchautor Bernhard Schwamm entwickelte er ein Skript mit dem Titel »Der Morgen von Walhalla« und ließ dieses auch ins Englische übersetzen. Schließlich sollte das Ganze eine internationale Großproduktion werden. Dass er gerade mal die Filmhochschule abgeschlossen hatte, war Bernd egal. Den Mutigen gehört die Welt, und er würde Krimhilds Rache auf die Leinwand bringen! »Der Morgen von Walhalla« thematisiert das erotische Spannungsverhältnis zwischen Krimhild und Hagen. Nachdem Hagen Krimhilds Ehemann Siegfried umgebracht hat, schwört Krimhild Rache. Aber nicht nur, weil sie sich von Hagen und ihren Brüdern, den Rittern von Burgund, betrogen und verraten fühlt, sondern auch weil der Tod der einzige Weg ist, um die von ihr ersehnte Intimität zu Hagen herzustellen. Vereinigung im Tod, denn Vereinigung im Hier und Jetzt ist nicht möglich. Sie instrumentalisiert ihren Körper als Waffe und heiratet Attila, den Hunnenkönig und mächtigsten Herrscher der bekannten Welt, um Hagen und ihre Brüder umbringen zu lassen.
    Eine epische Geschichte, deren zentrale Themen immer wieder in Bernds Filmen auftauchen sollten: der Körper als Waffe, Fanatismus bis zur Selbstzerstörung und die Sinnlosigkeit der Rache. Protagonisten, die nicht anders können, als ihren Weg bis zum bitteren Ende zu gehen. Keine kleine Aufgabe für einen 25-Jährigen, der gerade mal die Filmhochschule abgeschlossen hat. Die Strategie, die er sich zurechtlegte, wäre auch heute noch anwendbar: Drehen wollte er in Bulgarien, in den staatlichen Boyana Studios in Sofia, wo die Produktionskosten auch heute noch geringer sind als in Deutschland oder in Prag. Bernd reiste sogar nach Sofia, um sich die Studios anzuschauen. Als er dort war, wurde ihm eine sehr charmante Übersetzerin zugeteilt. Obwohl er nie mehr nach Bulgarien zurückkehrte, hatte Bernd immer eine sehr hohe Meinung von Sofia und diesen Studios. Da ich selbst die Boyana Studios besucht habe und dort nichts wirklich Großartiges vorfinden konnte, scheint mir Bernds Erinnerungen an Bulgarien vor allem durch die Übersetzerin geprägt. Mit ihr hatte er eine Affäre, die er sich gerne ins Gedächtnis rief. Vor allem die Glocken der Alexander-Nevsky-Kathedrale, die in seiner Erinnerung ständig läuteten und so den Soundtrack dieser Affäre lieferten, schienen dabei eine Rolle zu spielen. Jahrzehnte später, als Bernd in St. Petersburg »Der Untergang« drehte, war auf seinem Anrufbeantworter eine Nachricht dieser Übersetzerin. Sie war inzwischen nach Russland gezogen und lebte mit ihrer Familie in St. Petersburg. In der Zeitung hatte sie gelesen, dass Bernd dort einen Film drehte, und sie wollte fragen, ob er sie nicht der alten Zeiten wegen wieder treffen wolle. Bernd war hocherfreut und hätte die Übersetzerin gerne gesehen! Nur hatte sie vor lauter Aufregung keine Telefonnummer hinterlassen, wo er sie anrufen konnte. So kam es leider zu keinem Wiedersehen. Da im »Morgen von Walhalla« Schwertkämpfe eine wichtige Rolle spielen und diese auch spektakulärer aussehen sollten, als alles, was man aus dem europäischen Kino kannte, überlegte sich Bernd, wo er solche Schwertkämpfer finden konnte. Der japanische Regisseur Akira Kurosawa und seine Filme »Rashomon – Das Lustwäldchen« und »Die sieben Samurai« aus den Jahren 1950 und 1954 war an der Filmhochschule zu Bernds großem Idol geworden. Und so lautete die Antwort auf die Frage, wo man die besten Kämpfer und Kampfchoreographen findet, ganz klar: in Fernost. Allerdings dachte Bernd dabei nicht so sehr an Tokio – auch wenn Kurosawas Verarbeitung der Themen »Ehre« und »Rache« Bernd inhaltlich beeinflussten –, sondern an Hongkong. Bernd wollte die Kung-Fu-Legende Sir Run Run Shaw, der mit seinem Shaw Brothers Studio in Hongkong ein Filmstudio nach Hollywoodvorbild geschaffen hatte und dort im industriellen Stil Kung-Fu-Actionfilme produzierte, dazu überreden, in »Der Morgen von Walhalla« zu investieren und die Kampfsequenzen in Szene zu setzen. Schließlich würden in »Der Morgen von Walhalla« die Burgunden gegen die Hunnen kämpfen, die in Bernds Film auch wie Hunnen aussehen sollten – und