BE (German Edition)
Angeles und wusste nicht, was ich tun sollte. Als Bernie hörte, dass ich arbeitslos war, meinte er: »Du musst nach München kommen! Ich plane dort eine große internationale Produktion! Dafür brauche ich dich. Es wird noch eine Weile dauern, bis wir anfangen, aber ich zahle dir jetzt schon dein volles Gehalt.«
Die Produktion, von der Bernd sprach, war »Die unendliche Geschichte«.
Die unendliche Geschichte
»Unendlichkeit ist eine sehr lange
Zeitspanne. Besonders zum Ende hin.«
Woody Allen
MI chael Endes Buch »Die unendliche Geschichte« war Anfang der achtziger Jahre ein solches Kultbuch, dass damals schon Raubkopien im Umlauf waren. Natürlich gab es zu der Zeit bereits Raubkopien von Schallplatten und Konzertaufnahmen, aber Raubkopien von einem Buch, das war einzigartig. Zwar war das Buch zudem ein in Deutschland nie da gewesener Besteller und toppte unerhörte 59 Wochen lang die deutschen Bestsellerlisten. Aber es war die Tatsache, dass es davon Raubkopien gab, die Herman Weigel auf »Die unendliche Geschichte« aufmerksam machte. Mit »Christiane F.« und »Das Boot« hatte das neue Team der Constantin schon zwei große Erfolge gefeiert. Doch Bernd und Herman war aufgefallen, dass sich das Publikum der beiden Filme grundsätzlich unterschied. Es gab so gut wie keine Schnittmenge zwischen den beiden Zuschauergruppen. Nun wollten sie einen Film machen, der an beide Zuschauergruppen appellierte und damit die Zuschauerzahlen hoffentlich addierte. »Die unendliche Geschichte«, da stimmte Bernd mit Herman überein, war so populär – und zwar in den unterschiedlichsten Zuschauergruppen –, dass sie sicher das Zeug hatte, um eine solche Brücke zu bauen. Hinzu kam, wie schon im Interview mit Edgar Reitz erwähnt, dass Bernd daran glaubte, das neue Kino sollte die kindliche Seele im Zuschauer ansprechen. Der kindliche Blick auf das Märchenhafte der Welt war es, was ihn interessierte – das weite Märchenland, in das seine Seele floh, war seiner Ansicht nach auch das Land, in das weite Teile des deutschen Kinopublikums ziehen wollten.
An diesem Punkt sei erwähnt, dass Bernd ein großer Märchenfan war. Er erzählte mir, er habe früher große Teile von »1001 Nacht« auswendig gewusst und damit zahllose Frauen ins Bett »erzählt«. Manchmal las er abends zur Entspannung in »1001 Nacht« und las mir dabei auch mit seiner tiefen, ruhigen Stimme laut vor. In seiner Bibliothek gibt es Märchenbücher aus aller Welt, darunter natürlich auch die klassischen Märchen von Hans Christian Andersen und der Brüder Grimm. In der Welt der Mythen und Märchen fühlte er sich auch als Erwachsener zu Hause und tauchte darin ab wie in ein geheimes Nest, wo er sicher und unauffindbar für die Gefahren des Lebens war. Es war die archaische Auseinandersetzung mit den zentralen Themen der menschlichen Existenz, nicht so sehr in der Abstraktion, sondern in dem Narrativen, das ihn an den Märchen faszinierte. Und so liebte Bernd denn auch Joseph Campbell, den Märchen- und Mythenforscher, der wie kein anderer die immer wiederkehrenden Themen der Märchen aus aller Welt – quasi wie die DNA der Menschheit – auf den Punkt brachte. Die Liebe zu Märchen ist übrigens eine, die wir teilten und die uns verband. Nicht nur haben Märchen – deutsche, französische, russische, arabische – auch meine Synapsen seit frühster Kindheit zusammengeschweißt, ich besuchte auch später dasselbe Gymnasium wie die Brüder Grimm, nämlich das Friedrichsgymnasium in Kassel. Letzteres glaubte mir Bernd nicht. Er hielt es nur für eine dieser Geschichten, die ihm Leute erzählten. Dies änderte sich erst eines Abends zur späten Stunde im Borchardt Restaurant in Berlin. Ein schon ziemlich angeschickerter Otto Sander setzte sich kurz zu uns an den Tisch. Es stellte sich heraus, dass auch er ein ehemaliger Schüler des Kassler Friedrichsgymnasiums war. Nach dieser erstaunlichen Erkenntnis bestätigte Sander nicht nur, dass die Brüder Grimm in der Tat auch dieses Gymnasium besucht hatten. Nein, er bestellte sich außerdem ein großes Glas Ramazzotti, kippte den schnell mal weg und rezitierte dann auf Latein die Schulhymne des Friedrichsgymnasiums. Bernd war nun definitiv beeindruckt.
Aber zurück zu »Die unendliche Geschichte«. Bernd wollte den Film machen. Das Problem war nur, dass die Filmrechte zum Buch bei einem Filmproduzenten namens Dieter Geissler lagen, der den Film gemeinsam mit Hans W. Geißendörfer machen
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