BE (German Edition)
bezahlt werden würden, wenn Bernd neues Geld aufgetrieben hatte, blieben die Engländer hart. Sie wollten ihr Geld, und zwar sofort! Sonst würden sie einfach gehen. Außerdem bestanden sie darauf, jeden Nachmittag pünktlich ihre Teestunde einzuhalten. Wenn es drei Uhr schlug, fiel ihnen der Griffel, genauer gesagt die Roboterfernbedienung aus der Hand, und es wurde ausgiebig schwarzer Tee mit Milch getrunken. Bernd betrachtete dieses Ritual mit fassungslosem Unverständnis. Teetrinken sollte wichtiger sein als ein Film? Bernd war kein Fan von Margaret Thatcher, aber dass sie den Engländern ein paar Jahre später die Teestunde austrieb, fand er gut.
Die Bavaria Studios brummten also von den Vorbereitungen zu »Die unendliche Geschichte«. Und Bernd hatte den Regisseur gefeuert! Das Schiff steuerte führungslos durch den Wildwasserkanal. Bernd wusste, er musste schnell handeln, sonst würde ihn seine Crew verlassen und andere Jobs annehmen. Über seine Geldprobleme wurde sowieso schon genug gemunkelt. Nach seinem Gespräch mit Helmut Dietl rief Bernd frühmorgens Wolfgang Petersen an. Dieser war nach dem weltweiten Erfolg von »Das Boot« ein hoch angetippter Regisseur. Alle Studios wollten mit ihm arbeiten. Täglich bekam er Drehbücher von amerikanischen Projekten zugeschickt. Petersen war damals jedoch noch nicht nach Los Angeles übergesiedelt. Er wohnte noch mit seiner Frau Maria in München und las die Drehbücher, die ihm geschickt wurden. Kurzum: Er suchte nach einem neuen Projekt. Bernd rief ihn also morgens an und sagte, er werde ihm gleich Herman Weigels Drehbuch zur »Unendlichen Geschichte« in die Wohnung bringen lassen. Bis zum Abend brauche er allerdings eine Antwort, ob Petersen den Film machen wolle. Petersen wusste natürlich von Bernds Filmvorhaben, aber Endes Buch hatte er noch nicht gelesen. Aber egal, maßgeblich für seine Entscheidung war sowieso Hermans Drehbuch. Abends trafen sich Bernd und Herman mit Wolfgang Petersen und seiner Frau im Romagna Antica. Petersen war von Hermans Drehbuch begeistert.
Petersen war in der Tat so begeistert von Hermans Drehbuch und dem Projekt an sich, dass während des Abendessens im Romagna Antica die Frage, ob Petersen die Regie übernehmen würde, gar nicht mehr zur Debatte stand. Es ging nicht mehr um das »ob«, sondern nur noch um das »wie«. Am nächsten Tag fuhr Bernd raus in die Bavaria Studios und verkündete der Crew, die noch gar nicht wusste, dass Dietl von Bord war, dass Wolfgang Petersen der neue Kapitän der »Unendlichen Geschichte« sei.
Während dieser Zeit des Regisseurwechsels geschah es auch, dass der Glücksdrache Fuchur seinen weißen Pelz erhielt. Mittlerweile ist Fuchur gar nicht mehr anders vorstellbar, aber ich kann mich noch gut an den Moment erinnern, als ich als Jugendliche die ersten Fotos von Fuchur in einer Zeitschrift sah. Natürlich hatte ich »Die unendliche Geschichte« gelesen und mir meine eigenen Vorstellungen zum Aussehen der einzelnen Figuren gemacht. Deswegen war ich höchst verwundert, dass dieser Filmdrache aussah wie ein Albino-Hund. Ein Drache hatte doch eigentlich schillernde Schuppen! Ein Glücksdrache musste glitzern und glänzen, nicht herumflattern wie ein Pudel im Windkanal. Genau diese Gedanken hatten auch die Macher der »Unendlichen Geschichte«. Wie es dazu gekommen war, dass der Glücksdrache am Ende doch anders aussah, erklärte mir Bernd so: Ohne dass ihn jemand gefragt hätte, nahm sich ein englischer Visagist, der in einem VW-Bus lebte und schon bei »Christiane F.« die jugendlichen Darsteller in Junkies verwandelt hatte, der Drachenfrage an. Schließlich musste ein Glücksdrache her, und irgendjemand musste ihn bauen. Der Visagist begann also ein Modell des Glücksdrachen zu erstellen, das allgemein auf positive Resonanz stieß. Dieses Model hatte noch schillernde Schuppen, erzählte mir Bernd, und sah aus wie ein klassischer Drache. Das Problem war nur: Niemand hatte an den Bluescreen gedacht, vor dem der Drache fliegen sollte! Die Bluescreen-Technik war damals noch sehr neu und kompliziert. So mussten die Bluescreen-Wände zu der Zeit noch auf eine ganz bestimmte Temperatur erhitzt werden, damit sie die Projektion reflektierten. Erhitzte man die Wände zu sehr und traf dadurch nicht die richtige Temperatur, so fand keine Projektion statt. Weil die Bluescreen-Technik noch so neu war, wusste der Visagist nicht, was ein paar Jahre später jedes Kind wusste: Wer vor einem Bluescreen steht, der
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