BE (German Edition)
natürlich darauf zu erfahren, was genau Bernd so sehr an Lynch mochte und worüber er sich mit ihm unterhalten hatte. Bernd meinte, David Lynch sei einfach ein wahnsinnig witziger Typ, bei dem man sich eben nie sicher sein konnte, in welcher Realität er sich befand, ob er etwas ernst meinte oder nicht. Natürlich unterhielt man sich über Film. Aber auch über die etwa fünfzig Zentimeter großen Puppen, die auf Lynchs Sofa saßen. Es waren keine Kinderpuppen oder Spielzeugpuppen, sondern sie ähnelten viel mehr Erwachsenen. Diese belegten das Sofa und mussten erst weggeräumt werden, damit Bernd und Herman sich setzen konnten. Bei dieser Gelegenheit stellte Lynch ihnen jede einzelne namentlich vor. Jedes Mal, so beschwerte sich Lynch, wenn er sein Büro verlasse, würden die Puppen die Wand beschmieren. Zum Beweis zeigte er auf Wandkritzeleien in Augenhöhe der Puppen. »Das hat er mit todernstem Gesicht gesagt. Da war kein Augenzwinkern oder auch nur die Andeutung von Ironie. Wir wussten einfach nicht, ob der uns veralbert oder spinnt. Also, sind wir einfach auf ihn eingegangen«, so Bernd. Aus dieser Begegnung entwickelte sich eine lose Freundschaft. Wenn Bernd und Herman nach Los Angeles fuhren, trafen sie sich oft mit David Lynch zum Abendessen. »Das war immer vollkommen absichtslos. Wir verstanden uns einfach«, so Herman. Und so gehörte denn auch zu Bernds Plattensammlung eine LP mit dem Soundtrack von »Eraserhead«, auf dessen Plattenhülle David Lynch mit einem Füllfederhalter geschrieben hat: »To my friend Bernd. David Lynch.«
Diese Freundschaft sollte einige Jahre später dazu führen, dass, als Dino De Laurentiis Bernd von seinem Filmprojekt »Dune« erzählte, dieser ihm David Lynch als Regisseur vorschlug. Bernd erklärte sich bereit, die Verbindung zwischen Dino und David herzustellen. Dino war zu Bernds Überraschung sofort Feuer und Flamme. Bernd hatte nicht erwartet, dass Dino David Lynch kannte, geschweige denn seine Filme mochte! Die Auflösung des Rätsels kam, als der Kontakt zu David Lynch schon hergestellt war: Dino hatte Bernd missverstanden. Dino hatte gedacht, Bernd wolle ihm Sir David Lean, den britischen Regisseur von »Lawrence von Arabien« vorstellen! Trotzdem blieb es bei David Lynch, und Bernd kaufte die Filmrechte für Deutschland. Auch wenn er»Dune« in Deutschland mit Erfolg ins Kino brachte, so besteht kein Zweifel daran, dass es sich bei »Dune« um ein ästhetisches Missverständnis handelt.
Die Leute in der deutschen wie internationalen Filmindustrie begannen also, Bernd und Herman, die jungen Typen von der deutschen Constantin Film, nicht nur ernst zu nehmen, sondern auch zu mögen. Die beiden trafen mit ihren Filmen immer wieder ins Schwarze. Ihre Kampagnen waren außergewöhnlich. Sie schienen auf fast schon unheimliche Weise den Zeitgeist zu treffen. Zu den Menschen, die Bernd und Herman in dieser Zeit kennen- und schätzen lernten, gehörte auch Anna Gross. Anna, die fließend Italienisch spricht, hatte zuvor als Dino De Laurentiis’ und später als Sidney Pollacks Assistentin gearbeitet. Als sie Bernd kennenlernte, arbeitete sie für Mark Damons »Producers Sales Organization« (PSO):
Ich lernte Bernd während des American Film Market in Los Angeles kennen. Bernd und Herman standen in der Hotelbar und tranken. Meine Freundin Francesca Barra stellte mich den beiden vor. Ich war völlig perplex, weil die beiden so jung waren. Alle anderen Verleiher, die ich kannte, waren schon über sechzig. Alle anderen waren alt! Mit Ausnahme von Bernd und Herman bestand die internationale Filmindustrie aus gesetzten Geschäftsmännern. Bernd dagegen war so lebendig! Wir begannen also, über Filme zu reden. Ich ließ meine Dinner-Verabredung für den Abend einfach platzen und blieb den ganzen Abend bei Bernd und Herman an der Bar sitzen. Zum Abschied umarmte mich Bernd und hob mich in die Luft! Mir war das schrecklich peinlich, weil ich immer Angst hatte, dass ich zu dick bin. Aber von dem Abend an war ich verliebt. Ich habe mich in Bernd und Herman verliebt. Die beiden liebten Kino. Sie waren so enthusiastisch. Wie konnte man diese Jungs nicht lieben? Einige Monate später lief ich Bernd in der Bar vom Chateau Marmont in die Arme. Ich hatte gerade meinen Job bei einer Filmproduktion in Tunesien geschmissen. Wir hatten uns unser Produktionsbüro mit dem tunesischen Arm der PLO teilen müssen. Ich bin jüdisch, und das ging einfach gar nicht. Also war ich wieder in Los
Weitere Kostenlose Bücher