BE (German Edition)
darf kein Blau tragen, denn jeder Fitzel Blau dient als Projektionsfläche und wird damit Teil des Hintergrunds. Leider enthalten schillernde Schuppen aber sehr viel Blau. Dies führte dazu, dass der schuppige Drache im Bluescreen verschwand. Was also tun? Vielleicht weil der Schöpfer des Drachen Visagist war und Haare bei ihm immer eine Option waren, klebte er dem Drachen kurzerhand einen weißen Pelz an und machte ihn zu einem überdimensionalen Kuscheltier. Für den Bluescreen war das zwar immer noch schwierig, weil die Haarspitzen des Pelzes stark flimmerten, aber zumindest war der Drache nicht länger unsichtbar!
»Technisch gesehen war ›Die unendliche Geschichte‹ eine Mondlandung!«, so der damalige Chef der Bavaria Studios Günter Rohrbach. »Bernd hatte von so einer Art von Film gar keine Ahnung. Wir alle hatten keine Ahnung!« Durch Rohrbach waren die Bavaria Studios mit fünf Millionen Mark an dem Film beteiligt. Rohrbach fuhr damit ein großes Risiko. Denn das gesamte Studio war mit der »Unendlichen Geschichte« beschäftigt. Alle Hallen waren voll. Für die Bavaria gab es dadurch keine alternative Einnahmequelle. Falls diese Produktion kollabieren sollte – und darauf wies vieles hin –, hätte Rohrbach den Laden dichtmachen können. »Bei ›Das Boot‹ hatten wir zwar auch Probleme, aber ›Die unendliche Geschichte‹ ist für mich mit wesentlich größerem nächtlichen Horror verbunden. Wie oft bin ich mitten in der Nacht aufgeschreckt und habe gedacht: ›Um Gottes willen!‹«, so Rohrbach, den Bernd noch einmal um eine zusätzliche Million Mark anpumpte. Bernd hatte kein Geld mehr, um das Team und die Vorbereitungskosten zu zahlen. Wenn Rohrbach ihm nicht die Million vorgestreckt hätte, »Die unendliche Geschichte« hätte es nie geben. Bernd blieb Rohrbach dafür bis an sein Lebensende dankbar. Als Rohrbach als Chef der Bavaria verabschiedet wurde, hielt Bernd eine Dankesrede und erwähnte dabei diesen kühnen Vertrauensbeweis. »Der Aufsichtsrat, der bei meiner Verabschiedung natürlich anwesend war, war schockiert! Denen hatte ich nämlich gar nicht gesagt, dass ich Bernd die Million vorgestreckt hatte. Dabei hätten sie es natürlich absegnen müssen. Aber zum Glück war das ja mein letzter Arbeitstag bei der Bavaria. Sie konnten mich nicht mehr feuern«, so Rohrbach.
Auch Bernds Nerven lagen blank. Zwar hatte er nun einen neuen Regisseur, aber er hatte noch immer keinen US-Deal. Ohne den, das wusste er, würde er den Film nicht zu Ende drehen können. Ihm würde irgendwann das Geld ausgehen. Und dann geschah auch noch das Unfassbare: Die deutschen Fördergelder brachen weg. »Bernd und ich saßen wieder einmal in der Sauna, und er schnappte nach Luft. Da erzählte er mir, dass er damals, als ihm die Fördergelder gestrichen wurden, auch so nach Luft geschnappt habe«, so Uli Edel. »Bernd meinte: ›Ich merkte: Das ist jetzt das Aus.‹ Das hat ihn so im Herzen getroffen, dass er einen Herzkasper bekommen hat und sich auf’s Bett legen musste. Er erzählte mir: ›Ich habe da gelegen, mit ausgebreiteten Armen und habe mir gesagt … erst mal runterkommen … einfach nur runterkommen … als ich mich beruhigt hatte, bin ich liegen geblieben und habe mir genau überlegt, was ich mache.‹ Bernd rief dann den Chef der Förderkommission an und erklärte ihm, wie die Sache aussah: Wenn er die Fördergelder nicht bekomme, wären er selbst und die Constantin Film ruiniert. Dann wurde noch einmal eine Kommissionssitzung einberufen, und Bernd bekam das Geld.
Bernd litt während dieser Zeit an starken Schlafstörungen. Wenn er es endlich ins Bett geschafft hatte, die Schwabinger Kneipen also geschlossen waren, stand er schon kurz danach wieder auf und zog sich an. Um vor seinen Dämonen zu flüchten, setzte er sich ins Auto und fuhr durch die nächtlichen Straßen an den Münchner Stadtrand. Er hielt an in Fernfahrerkneipen und anderen Etablissements, wo die grauen Geister der Nacht an ranzigen Tresen hockten und im Hintergrund Volksmusik dudelte. Es war eine zwielichtige Welt von Leuten, die weder tot noch lebendig erschienen: Kleinganoven, verkrachte Existenzen, Frauen mit tiefen Dekolletés und ruinierten Gesichtern. Bei einer dieser ziellosen Fahrten durch die Münchner Vorstädte fuhr er an einem Bungalow vorbei, in dessen erleuchtetem Wohnzimmerfenster eine Frau im Negligé stand und in die Dunkelheit starrte. Bernd fuhr noch ein paar Minuten weiter, bis seine Phantasie die Oberhand
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