BE (German Edition)
gewann und er das Auto wendete. Er fuhr zurück zum Bungalow und sah, dass die Frau im Fenster ähnliche Gedanken haben musste: Die Eingangstür des Bungalows stand sperrangelweit offen und zeigte in den hell erleuchteten Flur. Bernd stieg aus und betrat das Haus. Die Frau wartete schon auf ihn.
Bernds Selbstverständnis und Erscheinungsbild hatte sich zu diesem Zeitpunkt schon drastisch verändert. Bei »Christiane F.« hatte er noch die engsitzenden Anzüge und schmalen Krawatten aus seiner Solaris-Zeit getragen. Sein Auftreten war das eines smarten Managers gewesen – zu einer Zeit, als sich der Rest der Welt noch in den letzten Zuckungen der Hippiebewegung befand. Dass ein junger Mann, der in einem kreativen Beruf arbeitete, in Anzug und Schlips auftrat, war ein Widerspruch in sich. Zwar hatte die Band »Kraftwerk« schon 1978 mit ihrem Album »Die Mensch-Maschine« und ihrem zwanziger Jahre »Metropolis«-Look (schwarze Krawatten, rote Hemden, kurze, zurückgegelte Haare) eine neue Ära in der Popkultur eingeleitet, aber in der Alltagsmode hatte sich das noch nicht niedergeschlagen. »Jung«, »kreativ« und »Krawatte« – diese drei Worte passten in den Siebzigern und auch noch 1980 nicht zusammen. Mit dem Beginn der Achtziger änderte sich das jedoch schlagartig. Der »Yuppie« ward erfunden. Insbesondere in der Werbebranche trug Mann plötzlich gestreifte Hemden, Krawatte, Hornbrille und Hosenträger. Ein Look, der 1987 von Michael Douglas als »Gordon Gekko« in Oliver Stones »Wall Street« zur Perfektion gebracht werden sollte. Doch genau in dem Moment, als Anzug und Krawatte wieder angesagt waren, wechselte Bernd zu Turnschuhen. Die Idee dazu kam ihm an einem Samstagmorgen, als er nicht in Anzug und Krawatte, sondern in Jeans, einer alten Baseball-Jacke und Turnschuhen die Leopoldstraße in Schwabing entlangging. Es war Bernds Freizeitkluft. Im Büro wäre er so nie erschienen. So leger begegnete Bernd zufällig dem befreundeten Filmemacher Eckhard Schmidt, genannt Ecki. Dieser bestaunte Bernds ungewöhnliche Aufmachung. »Gut schaust’ aus!«, meinte er. So würde man ihn ja gar nicht kennen. Nach dieser Begegnung, so Bernd, hätte er sich entschieden, sein Erscheinungsbild zu ändern. Die Anzüge und Krawatten verschwanden und damit auch die Taschenuhr, die er zu Solaris-Zeiten noch getragen hatte. Es war der letzte Schritt in seiner Befreiung von der »Glocke«, die ihn während seiner Internatszeit heimgesucht hatte. Bernd würde nie wieder eine Uhr tragen. Weder mochte er es, ständig an die Zeit erinnert zu werden, noch war er an der Statussymbolik männlicher Armbanduhren interessiert. Statt der Anzüge trug er von nun an knöchelhohe Turnschuhe und Jeans – immer knall eng und so kurz, dass zwischen Hosensaum und Turnschuh noch die weißen Socken zu sehen waren. Dazu trug er entweder Bomberjacken oder enge Jacketts, die an den Ärmeln immer ein wenig zu kurz waren. Durch die zu kurzen Ärmel entstand ein »Peter Pan«-Effekt – er sah aus wie ein großer Junge, dem seine Schuluniform zu klein geworden war. Aber genau das konnte Bernd sich mittlerweile leisten. Den Anzug und die Krawatte hatte er auch deswegen getragen, um älter und dadurch seriöser zu wirken. Zu Solaris-Zeiten hatte er seine jungen Augen hinter einer Sonnenbrille versteckt. Jetzt war er alt genug, jetzt brauchte er seine Nadelstreifenrüstung nicht länger. Jetzt konnte er sich so geben, wie er sich fühlte. Dass Turnschuhe bei seinen Treffen mit Finanziers oder bei offiziellen Anlässen nicht nur auf Irritation, sondern gelegentlich auch auf Verärgerung stießen, interessierte ihn nicht. Bernd hatte sich für Jeans und Turnschuhe entschieden und blieb diesem Look bis zu seinem Tod treu.
Ein Kleidungsstück, das sich Bernd jedoch – unter Zwang – abgewöhnte, waren die Mickey-Mouse-T-Shirts. »Diese T-Shirts hat er wirklich geliebt. Aber Mickey Mouse musste gehen. Das habe ich ihm klipp und klar gesagt!«, so Anna Gross. Bevor Bernd sich seine Mäuse-Shirts abgewöhnte, beschaffte ihm Mickey Mouse ein Geburtstagsgeschenk der besonderen Art: Bernd feierte seinen Geburtstag in der Lobby des Chateau Marmont in Los Angeles und trug dabei ein Mickey-Mouse-T-Shirt, das aufwendig mit Pailletten bestickt war. Plötzlich tauchte Sting in der Lobby auf. Sting feierte damals mit seiner Band »The Police« große Erfolge und war mit Hits wie »Every Little Thing She Does Is Magic« und »Don’t Stand So Close To Me« zum
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